
Hintergrund
Krafttraining ist viel komplexer als bisher angenommen
von Claudio Viecelli

Musik hören und gleichzeitig die Belastung über die Atmung aufzeichnen? Das Start-up Breezelabs aus Zürich will die Laktatschwelle mit gängigen Sportkopfhörern messen.
Matthias Heuberger ist ein passionierter Läufer. Und wie viele andere ambitionierte Freizeitsportler trägt er beim Training eine Sportuhr. Doch die will er künftig zu Hause lassen.
Denn mit der Uhr begann vor einiger Zeit der Frust. «Vor allem bei kurzen Intervallen zeigt sie die Belastung nicht korrekt an», bemängelt er. Sportuhren messen in der Regel den Puls, um die Anstrengung zu tracken. Bei schnellen Änderungen der Intensität reagiere der Herzschlag allerdings recht träge. Die Belastungsanalyse sei deshalb in diesen Fällen nicht ganz zuverlässig.
Ich kenne das bei Bergsprints aus eigener Erfahrung: Ich schnaufe wie ein Walross und meine Zunge hängt gefühlt an den Knien. Dennoch stuft meine Sportuhr das Training als Erholungslauf ein. Und schlägt mir am nächsten Tag dann vielleicht einen Tempolauf vor.
Das ist nicht nur nervig, sondern kann auch den Trainingsfortschritt hemmen. «Viele ambitionierte Hobbyläufer trainieren zu intensiv», sagt Matthias. Das Resultat sei Ermüdung statt steigender Fitness.
So entstand die Idee für das Start-up Breezelabs.ai, ein Spin-off der ETH Zürich. Ziel ist es, Sportlerinnen und Sportlern eine Möglichkeit zu geben, ihre Trainingsintensität präzise zu messen und zu steuern. Um so sportliche Erfolge zu erzielen.
Die Messung funktioniert mithilfe von Geräten, die viele Läuferinnen und Läufer ohnehin dabei haben: mit Kopfhörern und einer App auf dem Smartphone (bisher allerdings nur auf Android). Über das Mikrofon der Kopfhörer nimmt die Breeze-Tracking-App die Atemgeräusche auf und analysiert sie mit einem Algorithmus.
Überbelastung zu vermeiden ist das eine. Das andere Thema, auf das sich Breezelabs konzentriert, ist Abwechslung im Lauftraining. «Viele joggen immer im gleichen Tempo, das ist für den Trainingsfortschritt ebenfalls nicht optimal», sagt Unternehmensgründer Matthias.
Zurzeit funktioniert Breezelabs.ai nach Angaben des Unternehmens mit den folgenden Shokz-Kopfhörern:
Und den Xiaomi Redmi Buds 6 Active:
Die Breezelabs-App kann über den App-Store heruntergeladen werden und ist derzeit gratis. Laut Breezelabs wird das Angebot an kompatiblen Kopfhörern kontinuierlich erweitert.
Ich habe die App mit den Shokz Open Run Pro ausprobiert und konnte sehen, wie sich meine Atemrate auf der Laufstrecke veränderte. Dabei versuchte ich, Abwechslung ins Training zu bringen, indem ich zwischen lockeren und intensiveren Abschnitten abwechselte. Die verschiedenen Farben in der App-Darstellung zeigen das Muster.
Die App gibt mir zudem Einblicke in den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Atemrate. Wenn ich künftig bei gleicher Geschwindigkeit weniger oft Luft hole, bin ich fitter geworden.
Das Start-up gewann auf der ISPO 2024 einen «Brandnew»-Award im Bereich Sportstech. Zudem arbeitet Breezelabs über Innosuisse mit der Universität Basel im Rahmen einer Doktorarbeit zusammen.
Für mich ist die Breezelab-App ein weiteres Tool, um das Training besser zu steuern, gerade, wenn die Trainingsempfehlungen per Herzfrequenzmessung nicht mit der gefühlten Anstrengung übereinstimmen. Beispielsweise, wenn ich mich nach intensiven Intervallen müder fühle, als ich es laut Sportuhr sein sollte.
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
Alle anzeigenVon seiner früheren Arbeit an der ETH Zürich wusste Matthias, dass sich die Atmung mit einem Mikrophon messen lässt. Die Atmung ist eine der zentralen Vitalfunktionen, dennoch spielt sie in der Trainingssteuerung bisher eine eher untergeordnete Rolle. Forschende nannten die Atemfrequenz deshalb auch schon «die vernachlässigte physiologische Grösse».


Klar, ob ich mich mehr oder weniger anstrenge, merke ich auch ohne App. Doch spannend wird’s, wenn ich Breezelabs.ai für einen sogenannten «Graded Run», also einen Leistungstest, nutze. Damit sollen die ventilatorischen Schwellenwerte ermittelt werden, die den Übergang von aeroben zum anaeroben Stoffwechsel markieren. Diese Werte werden normalerweise im Labor getestet und helfen dabei, die individuellen Trainingszonen zu bestimmen. Viele Läufer kennen diese Schlüsselwerte als «Zone 2» und Laktatschwelle.

Ich bin gespannt, wie sich die App künftig weiter entwickelt – eine Lösung fürs iPhone wäre wünschenswert. Zudem könnten weitere Analyse-Tools und Hintergrund-Infos zur Atemfrequenz einen Mehrwert bringen, vor allem für ambitionierte Sportlerinnen und Sportler, die sich optimal auf Wettkämpfe vorbereiten wollen und dabei auf dem schmalen Grat zwischen optimalem Training und Übertraining balancieren. Die App ersetzt die Sportuhr bei mir nicht, aber für zusätzliche Einblicke finde ich sie nützlich.