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Meinung

Angeln wie im Videospiel: Livescope fasziniert, ist aber auch umstritten

Auf den Bildschirm statt in die Natur schauen: Angeln mit Live-Technik ist faszinierend, aber auch höchst umstritten und teilweise sogar verboten.

Kein Smartphone, kein Computer – wenn ich am Wasser stehe, tue ich nichts anderes als angeln. Es ist für mich Entschleunigung und Entspannung – fast wie Meditation. Meine bildschirmfreie Zeit, in der ich keine News checke, weder durch Social Media scrolle, noch erreichbar bin. Bis zu meinem Hamburg-Trip war das zumindest so.

Bei einem Angel-Guiding mit Pro-Guiding.de schaue ich den ganzen Abend lang auf einen 10-Zoll-Bildschirm. Darauf sehe ich die Struktur unter Wasser, meinen Köder und die Fische, fast wie in einem Game.

Mit dem Livescope durch den Hamburger Hafen

Der Guide fährt langsam durch den Hamburger Hafen und dreht den sogenannten Geber. Das ist eine Stange mit Sende- und Empfangselementen, die an der Seite des Bootes ins Wasser hängen. Sie ist sozusagen die Unterwasserkamera, die ein Livebild auf den Bildschirm schickt. Wir sehen – wie bei einer Videokamera – in die Richtung, in die der Geber zeigt.

Im ersten Schritt müssen nun die Bilder auf dem Display interpretiert werden. Fische sind einfach zu erkennen, allerdings braucht es Übung, um die ähnlich grossen Brassen und Zander auseinanderzuhalten. Die zweite Herausforderung besteht darin, den sich bewegenden Fisch so anzufahren, dass das Boot genau daneben steht und der Köder genau über dem Kopf des Raubfisches verführerisch zappelt.

Die Punkte im oberen Bereich sind Schwärme mit kleinen Fischen, die dicke gelbe Linie ist der Grund. Die hellen, länglichen Echos unten links sind Zander.
Die Punkte im oberen Bereich sind Schwärme mit kleinen Fischen, die dicke gelbe Linie ist der Grund. Die hellen, länglichen Echos unten links sind Zander.

Über hundert Mal fährt der Guide an diesem Abend Zander an. Meine Aufgabe ist es, den Köder im richtigen Moment herunterzulassen, auf die richtige Höhe zu bringen und leicht zu bewegen. Die Reaktion der Fische ist auf dem Bildschirm gut zu erkennen. Manche Zander sind gleichgültig, andere schwimmen sogar weg. Manche schauen kurz, drehen sich dann aber ab.

Wenn er sich dann direkt unter den Köder stellt und sich langsam heranschiebt – fast wie eine Katze, die sich an eine Maus anschleicht –, dann steigt die Spannung. Jederzeit kann der Zander losschiessen und den vermeintlichen Beutefisch mit Unterdruck einsaugen. In diesen Momenten muss ich mich gedanklich vom Bildschirm lösen. Ich darf erst anschlagen, wenn ich den Biss in der Rute spüre – nicht, wenn ich ihn vermeintlich auf dem Display sehe.

Angel-Technik in der Kritik

Die Live-Technik ist höchst umstritten – auch in der Angelszene selbst. Das geht so weit, dass der Kanton Obwalden 2023 das Angeln mit «Echolotgebern mit Live-Sonar-Technologie» verboten hat. Auch auf dem Vierwaldstättersee gilt dieses Verbot; hier haben sich alle vier angrenzenden Kantone darauf geeinigt.

Die Überlegungen, die hinter diesem Gesetz stehen: Mit dem Echtzeit-Sonarsystem werden gezielt nur grosse Fische ins Visier genommen. Diese sind jedoch besonders wichtig für den Bestand in einem Gewässer, weil die älteren Tiere mehr Nachkommen als die jüngeren produzieren. Wer also gezielt nur grosse Tiere fängt, tötet und isst, könnte dem Ökosystem schaden.

Livescope-Angler stehen zudem im Verdacht, «Catch and Release» zu betreiben – also mit der Absicht zum Angeln zu fahren, die gefangenen Fische zurückzusetzen. Das würde zwar den Bestand schonen, ist in der Schweiz aber verboten. Einzelne Fische darf eine angelnde Person zurücksetzen, aber nicht als Grundprinzip immer alle. Andere Länder, etwa die Niederlande und Spanien, haben genau gegenteilige Gesetze: Wer dort Fische töten und dann essen will, braucht eine spezielle Bewilligung. Alles zurücksetzen hingegen ist erlaubt.

Viele Anglerinnen und Angler hierzulande wünschen sich immer noch ein rein analoges Hobby oder kritisieren, dass die Livescope-Methode nur einer privilegierten Gruppe zugänglich ist. Die Technik allein kostet mehrere tausend Franken; das Boot ist dabei nicht eingerechnet.

Ich kann viele dieser Vorbehalte gut nachvollziehen. Für mich ist Angeln primär ein Hobby, bei dem ich draussen in der Natur bin. Frühmorgens bei Sonnenaufgang an einem spiegelglatten See zu stehen – das sind die schönsten Momente. Ein neues Gewässer im Ausland zu entdecken – das macht für mich einen grossen Teil der Faszination aus.

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Natürlich fange ich gerne etwas. Doch der Weg dorthin ist für mich genauso wichtig: herauszufinden, wo die Raubfische auf der Jagd sind – und sie durch geschickte Köderführung davon zu überzeugen, dass der Gummifisch ein Beutetier ist, das eine Attacke wert ist.

Beim Livescope-Angeln blicke ich primär auf den Screen – alles rundherum geht vergessen, auch wenn es noch so eindrücklich ist.
Beim Livescope-Angeln blicke ich primär auf den Screen – alles rundherum geht vergessen, auch wenn es noch so eindrücklich ist.

Wie ein Fiebertraum auf Adrenalin

Livescope-Fischen dagegen fühlt sich an wie ein Fiebertraum – ein Adrenalinschub nach dem anderen, immer unter Hochspannung. Wegen der Technik erlebe ich das Angeln im Zeitraffer. Das ist für mich wie Fast Food: ab und zu ganz gut, aber eben wirklich nur ab und zu.

Soll das Angeln mit technischer Hilfe deswegen ganz verboten werden? Ich finde nicht. Bei diesem bereits stark reglementierten Hobby braucht es nicht noch mehr Vorschriften – die gut schweizerisch je nach Region wieder unterschiedlich sind. Vor allem, weil ein Teil der Szene am liebsten alles verbieten würde, was den eigenen Fangerfolg schmälern könnte.

Meine Exkursion hat mir gezeigt, dass Livescope angeln kein simples Computerspiel ist. Wer die Technik beherrschen will, braucht viel Training, Wissen und Erfahrung. Aber es kann für viele im ersten Moment zur Sucht werden – da ist es dem Gamen sehr ähnlich. Sie betreiebn das Angeln am Bildschirm eine gewisse Zeit exzessiv, bis die Begeisterung abflacht. Aus dem Gespräch unter Kolleginnen und Kollegen weiss ich, dass die meisten die Technik nach der Anfangseuphorie nicht mehr dauernd nutzen, sondern je nach Situation – oder um Gewässer und deren Bewohner besser zu verstehen. Für mich ist es auch eine grundsätzliche Frage: Nur weil ich selbst normalerweise kein Livescope angle, muss ich es nicht anderen verbieten.

Petri. Ein gefangener Zander aus dem Hamburger Hafen.
Petri. Ein gefangener Zander aus dem Hamburger Hafen.

Das ist für mich die wichtigste Erfahrung aus der Livescope-Session im Hamburger Hafen: Ich kenne nun die Zander besser, weiss wie schwierig es ist, sie zu überlisten. Der Beutefisch beziehungsweise der Köder muss im trüben Wasser direkt vor der Nase durchschwimmen, damit sie ihn überhaupt wahrnehmen. Zudem haben weniger als 10 Prozent der Fische gebissen, die den Köder bemerkt haben. Manchmal folgen sie ihm bis direkt unters Boot, nur um dann abzudrehen.

Angle ich «blind» und ohne technische Hilfe vom Ufer, braucht es einfach Geduld und Ausdauer – und ein wenig Glück –, um einen Biss zu bekommen. So habe ich genug Zeit, um alles um mich herum zu geniessen.

Ich werfe meine Rute aus nach deinen Kommentaren: Was hältst du davon, mit Livescope-Technik zu angeln?

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Gadgets sind meine Passion – egal ob man sie für Homeoffice, Haushalt, Smart Home, Sport oder Vergnügen braucht. Oder natürlich auch fürs grosse Hobby neben der Familie, nämlich fürs Angeln.

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