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Hintergrund

Dem Laufen auf der Spur: Die Ganganalyse im Bewegungslabor

Ich will mehr über den menschlichen Gang lernen und weiss, wohin ich dafür gehen muss: ins Detail. Expert:innen der Bewegungsanalyse Zürich an der Universitätsklinik Balgrist helfen mir dabei. Die Geschichte eines ersten Schrittes und seiner Folgen.

Mark Huybrechts setzt Marker um Marker. Der Physiotherapeut betastet meine Knochen und Gelenke, rasiert letzte Haare von der Schienbeinhaut, bemalt mich mit grünem Filzstift und arbeitet sich von den Füssen bis zu meinen Schultern hoch, um 53 reflektierende Kügelchen aufzukleben. Ich werde vermessen, gewogen und durchbewegt, fotografiert und befragt. 16 Elektroden registrieren jedes Muskelzucken.

Versteckte Kraftmessplatten warten darauf, betreten zu werden, während Infrarot- und Videokameras jede Bewegung festhalten. Vor mir liegen nur zehn Meter mausgrauer Boden, eine weisse Linie und bunte Markierungen. Und doch weiss ich nicht, wo das alles hinführen wird. Auf jeden Fall zu neuen Erkenntnissen. Und eine Woche später, bei der Nachbesprechung, zu irritierenden Adjektiven.

Läuft bei dir. Oder?

Stellvertreter an der Startlinie

Einfache Antworten wird es nicht geben. Die Zusammenhänge sind zu komplex. Dafür ist meine erste Aufgabe klar und einfach. «Bitte gehen Sie jetzt los», fordert eine monotone Computerstimme.

Ein Puzzlestein der Diagnostik

Es sind nur zehn oder elf Schritte, die mich in ein Modell verwandeln. Hin und zurück in diesem kargen Raum voller Kameras, immer wieder. Daraus entsteht eine Datensammlung, die mit jeder Bewegung wächst. Meine Referenz ist nicht Usain Bolt, sondern die Normalbevölkerung. Ein gesunder Mittelwert, der mir zeigen wird, wo ich stehe. Beziehungsweise: wie ich gehe.

Dass meine Anatomie unterhalb der Knie eine eigenwillige Wendung nimmt, ist so offensichtlich, dass mich Gerda Strutzenbergers trockener Erstbefund angesichts meines Avatars auf den Bildschirmen nicht überrascht: «Man sieht, dass du O-Beine hast.»

Für diese Erkenntnis braucht es keine Marker und Sensoren, keine 3D-Modelle der Körperachsen. Es braucht sie, um die Zusammenhänge zu verstehen und um zu messen, was das im Gehen bedeutet. «Das Besondere ist, dass ich auf das ganzheitliche Bild schauen und die gesamte Bewegungskette mit einbeziehen kann», sagt Strutzenberger. «Die interne Belastung könnte ein Video alleine nicht zeigen.»

Geh mal normal

Auf den Monitoren ist mein Körper von grünen, roten, blauen und gelben Linien überdeckt, die sich aus den Positionen der Marker ergeben. In einer anderen Ansicht tanze ich nur in Form von bunten Punkten durch einen gerasterten schwarzen Raum. Dazu kommen die Daten zur Muskelaktivität, die über Strutzenbergers Bildschirme flimmern.

Mark Huybrechts kümmert sich darum, dass an meinem Körper äusserlich alles stimmt. Er justiert die Reflektoren, optimiert die Position der Sensoren und übt mit mir das Gehen. «Wir suchen jetzt die beste Startposition», sagt der Physiotherapeut und Spezialist für Neuroorthopädie, der mir ruhig und freundlich Anweisungen gibt. «Geh mal an die blaue Linie und nimm die weisse zwischen die Füsse. Dann kannst du in normalem Tempo starten.»

Ein kalibrierter Körper

Vieles, was die beiden mit mir anstellen, verstehe ich erst hinterher. Nicht nur das System wird zu Beginn kalibriert, sondern auch ich. Während ich mich ans Gehen im Kugelkostüm gewöhne, werde ich so dirigiert, dass ich unbewusst die Kraftmessplatten im Boden treffe. Sie werden zeigen, wie ich meine Füsse belaste. Je häufiger ich sie betrete, desto besser die Datenbasis.

Oh, die Beine

«Wenn wir uns darüber unterhalten, wie das visuell aussieht, ist es spannend», sagt Chefarzt Scherr. Und präzisiert schmunzelnd: «Oder interessant.» Kunstpause. «Das sagt man ja meistens im Restaurant auf die Frage, wie es geschmeckt hat, wenn etwas nicht ganz in Ordnung war.»

Was mir anschliessend serviert wird, ist eine Reihe von Erkenntnissen, von der mich nur die erste gar nicht überraschen kann. «Das, was man an deinen Beinen sieht, nennt sich Genua Vara.» Kenne ich. Hat nichts mit der italienischen Hafenstadt zu tun, sondern beschreibt meine O-Beine, die die komplette Statik durcheinanderwirbeln.

Ein Muskel muss es ausbaden

Während ich mich gedanklich auf dem berühmten Schaubild zur Evolutionstheorie vom modernen Menschen zum Neandertaler zurück entwickle, muss ich eine weitere Hiobsbotschaft verkraften. «Ein Hüftgelenk kann im Durchschnitt nach aussen und innen zusammengenommen ungefähr 90 Grad rotieren», erklärt Mark Huybrechts. Du hast auf der linken Seite einen Range von 20 bis 15, das ist speziell.»

Wieder so ein höfliches Adjektiv. «Wahrscheinlich gibt es strukturelle Gründe», schlussfolgert Scherr. «Deswegen finde ich es verwunderlich, dass das Gehen bislang einigermassen beschwerdefrei war.» In diesem Stil geht es, von der Hüfte bis zur Sohle, noch eine Weile weiter. Ich habe das Gefühl, meine Beine nach 40 Jahren erst richtig kennenzulernen.

Never change a running system

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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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