Ann-Kathrin Schäfer
Hintergrund

Fisher Price, wir müssen reden!

Die besten Spielzeuge in unserem Sandkasten werden seit fast 40 Jahren nicht mehr hergestellt. Wieso eigentlich nicht? Zeit für eine Spurensuche, die mich zu einem anderen Fazit führt als gedacht.

Meine zwei Jungs verwandeln unseren Sandkasten regelmässig in eine Baustelle mit Lastwagen und Bagger. Ich selbst teile diese Faszination nur bedingt. Trotzdem fühle ich mich nach jahrelangem Mitspielen oder Danebensitzen als halbe Expertin. Auf jeden Fall haben die Fahrzeuge in unserem Sandkasten meist folgende Probleme: Sie haken, sie greifen schlecht – und sie gehen nach wenigen Jahren kaputt. Sand im Getriebe, spröde vom Sonnenlicht, mitgenommen von der Witterung.

Altes Traumduo: Fisher-Price-Laster und Lena-Robust-Bagger.
Altes Traumduo: Fisher-Price-Laster und Lena-Robust-Bagger.

Doch zwei Fahrzeuge im Sandkasten halten schon seit jeher und sind noch dazu einfach zu bedienen. Bei beiden fällt auf, dass ihre Hebel auch wirklich für Kinderhände gemacht sind und ihre Greifmechanismen wie geschmiert laufen. Dazu zählt ein Bagger (Lena Robust Product), der seit dem ältesten Neffen (12) überlebt hat. Und ein Vintage-Laster von Fisher-Price, den mein Partner in die Elternschaft gebracht hat, tatsächlich direkt aus der eigenen Kindheit. Langlebiger geht’s fast nicht.

Da hilft auch der kleine, sogenannte Husky Helper gerne mit.
Da hilft auch der kleine, sogenannte Husky Helper gerne mit.

Da mal wieder einige Baustellenfahrzeuge das Zeitliche gesegnet haben und ein Geburtstag ansteht, gebe ich ins Suchfeld einer bekannten Suchmaschine ein: «Fisher-Price Sandkastenspielzeug». Ich tauche ein in die Welt der «Husky Helpers Construction Vehicles» – unter diesem Namen scheint die Linie bis heute bekannt zu sein. Produziert wurde sie in den fernen 1970er- und 1980er-Jahren, letztmals 1986. Dazu gehören Bagger, Laster, Kran, Betonmischer, oder im Sammlerjargon: «#300 Scoop Loader», «#301 Shovel Digger», «#302 Dump Truck», «#311 Bulldozer», «#313 Roller Grader».

Was ist mit dieser robusten Sandkasten-Linie passiert und wo sind ihre Nachfolger? Ich begebe mich auf Spurensuche.

Direkt aus den 80ern importiert und immer noch ganz. Aber die robusten Fahrzeuge haben ihren Preis.
Direkt aus den 80ern importiert und immer noch ganz. Aber die robusten Fahrzeuge haben ihren Preis.

Spur 1: Gebrauchtwarenmarkt

Ich staune, wie gross der Second-Hand-Markt zur Fisher-Price-Linie ist. «Gebrauchter Zustand mit altersbedingten Gebrauchsspuren ohne Figuren, siehe die Bilder, darum auch so günstig zu haben», steht da etwa zu einem «Shovel Digger #301». Günstig bedeutet: 34 Franken. Für besonders gut erhaltene Modelle verlangen einige 80 und sogar über 100 Franken.

Der Shovel Digger #301 bei der Arbeit.
Der Shovel Digger #301 bei der Arbeit.

Ein Blick in die Sandkasten-Abteilung von Galaxus zeigt wiederum: Mehr als 15 Franken muss man für einen neuen Bagger heute gar nicht zahlen. Aber wird er der Berührung mit Sand standhalten? Wo sind die langlebigen, durchdachten Sandspielzeuge, die jedem Baustelleneinsatz trotzen – über Generationen hinweg?

Spur 2: Gespräch mit Hersteller Fisher-Price / Mattel

«Wie schön zu hören, wenn Spielzeug über Generationen hinweg geschätzt wird», sagt Anne Polsak. Sie leitet im deutschsprachigen Raum die Kommunikation von Mattel – dem Barbie-Konzern, zu dem Fisher-Price seit 1993 gehört. Von den Husky-Helpers-Baustellenfahrzeugen habe sie bis zu meiner Anfrage noch nie gehört, gesteht sie. So präsent wie in manchen Sandkästen scheint die Linie beim Hersteller nicht zu sein. «Auch beliebte Linien fallen aus dem Sortiment, um Platz für Neues zu schaffen», so Polsak. Mit wenigen Ausnahmen wie dem Plappertelefon und der bunten Farbringpyramide.

Reine Baustellenfahrzeuge seien eigentlich nicht mehr gefragt, fügt sie an. «Heutige Eltern legen Wert darauf, dass ihre Kinder beim Spielen auch etwas lernen.» Das zeige die Marktforschung, die das Unternehmen in seinem Playlab in den USA betreibt. Der Fokus von Fisher-Price liege deshalb auf Vorschulprodukten mit Lernaspekten. Ob ich ihren «Zähl- und Stapel-Kran» kenne? Er hat ein Gesicht und kann sprechen. Er sieht nicht so aus, als würde er in unserem Sandkasten lange überleben.

Fisher-Price Count & Stack Crane- (D, F, I, E)
Lernspiel

Fisher-Price Count & Stack Crane- (D, F, I, E)

Es sieht schlecht aus für eine Neuauflage unserer unkaputtbaren Baustellenfahrzeuge. Immerhin: «Wir nehmen Empfehlungen von Kundinnen und Kunden immer auf, auch Ihre», tröstet Anne Polsak. Im gleichen Satz bezweifelt sie, dass die Linie wirklich ein globaler «Need» sei. Und sowieso: «Wir haben lange Entwicklungszeiten. Ich weiss nicht, ob Ihre Kinder noch damit spielen würden.» Aus welchen Materialien die Husky-Helpers-Linie hergestellt wurde, sei ihr nicht bekannt. Aber auch sie stelle fest, dass die Spielzeuge von früher durch Langlebigkeit und bessere Qualität auffallen.

Spur 3: Gespräch mit Schweizer Spielzeugverband

Dass Fisher-Price selbst mir nicht beantworten kann, wie ihre Spielzeuge von damals produziert wurden, wundert Sandro Küng vom Spielwaren Verband Schweiz nicht: «Die Hersteller haben damals Produktionsprozesse und verwendete Materialien nicht so genau dokumentiert wie heute.» Die Richtlinien zur Spielzeugsicherheit seien seit den 70er Jahren stark verschärft worden, erklärt Küng. Die Vermutung liege nahe, dass die Fisher-Price-Linie aus ABS-Kunststoff besteht, so wie auch Lego-Steine. «Dieser Kunststoff ist besonders robust und haltbar.»

Dass die Inhaltsstoffe von Spielzeugen Betriebsgeheimnis bleiben, soll sich schon bald ändern. Eine neue EU-Verordnung will digitale Produktpässe einführen, mit Angaben über Inhaltsstoffe, Sicherheitsvorschriften, Lieferketten und einer Kontaktmöglichkeit für Reparaturen und Ersatzteile. Die Schweiz übernimmt solche Verordnungen in der Regel.

«Diese digitalen Produktpässe werden die Spielzeugsicherheit massgeblich erhöhen», vermutet Küng – sagt aber, dass grundsätzlich jetzt schon alles von geprüften Herstellern sicher sei. «Bei Onlinemarktplätzen wie Temu ist das leider anders. Bisher stellt der Bundesrat Online-Einkäufe dort einem Privatimport gleich, weshalb die Produkte keinerlei Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen. Das ist bedenklich. Kürzlich ist in der Schweiz ein Beamer explodiert!»

So richtig wichtig findet Sandro Küng meine Frage, was jetzt genau mit dieser Vintage-Bagger-Linie von Fisher-Price passiert sei, deshalb nicht. Er betont noch einmal: «Hauptsache ist, dass Eltern sicheres Spielzeug von geprüften Markenherstellern kaufen und nicht von Drittanbietern.» Wenn ein Produkt nicht mehr hergestellt wird, steckten eigentlich immer wirtschaftliche Gründe dahinter, antwortet er dann aber doch. Vermutlich sei die Nachfrage eben nicht gross genug gewesen. «Wir leben in einer Konsumwelt, in welcher der Preis entscheidend ist. Ich staune selbst, wie preisgetrieben auch die sonst so markentreue Schweiz geworden ist.»

Küng bittet um Verständnis, dass auch gewissenhaft hergestellte Sandkastenfahrzeuge schnell mal haken. «Im Sandkasten gelten schwierige Bedingungen», sagt er. «Sand wirkt wie Schleifpapier. Wenn Sie schon mal etwas sandgestrahlt haben, können Sie sich vorstellen, welchen Belastungen diese Spielzeuge standhalten müssen!» Das sei auch der Grund, warum die Spielzeugbranche bisher keine rechte Alternative zum nicht gerade nachhaltigen Kunststoff gefunden hat, der seit den 1950er-Jahren Einzug gehalten hat. «Kunststoff ist immer noch das langlebigste Material.»

Wie Baustellenfahrzeuge sehen sie alle aus – aber nur die Hälfte von ihnen übersteht den Kontakt mit Sand, ohne zu haken.
Wie Baustellenfahrzeuge sehen sie alle aus – aber nur die Hälfte von ihnen übersteht den Kontakt mit Sand, ohne zu haken.

Spur 4: Lena Robust Product / Simm Spielwaren

Wer trotz Sand nicht hakt, ist der eingangs erwähnte Lieblingsbagger «Simm 0825 Lena Robust Product». «Ausverkauft», steht auf der Website. Ob die Produktion dieser Lena-Reihe wieder aufgenommen wird? Und ob der Eindruck stimmt, dass sie der Fisher-Price-Husky-Helpers-Linie nachempfunden ist? Zweimal «Nein», antwortet Carola Söhn, Geschäftsführerin von Simm Spielwaren.

Schade. Denn auch dieser Bagger hatte ein paar ziemlich gute Verkaufsargumente: Er ist als einziger Bagger in unserem Sandkasten auch nach über zehn Jahren in Kontakt mit Sand und Sonne immer noch ganz. Das Material sei «sehr hochwertig und dickwandig produziert», erklärt Söhn. Die zwei verzinkten Stahlachsen sorgen für Stabilität. Der Baggeraufsatz lässt sich um 360 Grad drehen und die Schaufel schaufelt mit den zwei Griffen, wie sie soll. Er ist TÜV-zertifiziert, «spiel gut»-ausgezeichnet, produziert in der EU unter Einhaltung der Sicherheitsstandards – und tatsächlich: aus «unverwüstbarem ABS Kunststoff». Carola Söhn erklärt die Einstellung der Produktion – auf der Website als das «qualitativ Beste aus dem Lena Sortiment» beworben – folgendermassen: «Durch den erhöhten Materialbedarf entsteht zwangsläufig ein höherer Preis des Artikels, welcher vom Grossteil der Kundinnen und Kunden nicht mehr angenommen wird.» Ernüchternd, finde ich.

Zweite Hand ist eh besser als neu

Während ich diese Zeilen schrieb, hat mein Partner entschieden, unsere Fisher-Price-Reihe durch Second-Hand-Ware aufzustocken. «Das sind einfach die Besten», findet er mit ein bisschen Nostalgie in der Stimme. Irgendwie ist das ja auch die nachhaltigste Variante von Konsum. Guter Nebeneffekt: Ich kann in diesem Artikel nun ein paar würdige Fotos präsentieren.

In unserem Sandkasten wimmelt es jetzt vor Husky Helpers Fahrzeugen.
In unserem Sandkasten wimmelt es jetzt vor Husky Helpers Fahrzeugen.

Welches Fahrzeug ich der Vollständigkeit halber noch als Positivbeispiel erwähnen möchte:

BIG Bagger und Laster

Nicht ganz so ausgeklügelt wie die beiden oberen Beispiele, aber trotzdem immer noch ganz und wird gern bespielt:

Und hier zwei Negativbeispiele:

Polesie Bagger

Ein Fehlkauf: Der Greifmechanismus ist für die Katz. Im Grunde unmöglich, damit etwas aufzubaggern.

Lena Betonmischer

Sieht superschick aus, ist nachhaltig, aber hakt leider nach dem ersten Kontakt mit Sand.

Was sind deiner Erfahrung nach die langlebigsten Sandkasten-Fahrzeuge, die reibungslos laufen? Schreib’s in die Kommentare.

Titelbild: Ann-Kathrin Schäfer

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Eigentlich bin ich Journalistin, in den letzten Jahren aber auch vermehrt als Sandkuchenbäckerin, Familienhund-Trainerin und Bagger-Expertin tätig. Mir geht das Herz auf, wenn meine Kinder vor Freude Tränen lachen und abends selig nebeneinander einschlafen. Dank ihnen finde ich täglich Inspiration zum Schreiben – und kenne nun auch den Unterschied zwischen Radlader, Asphaltfertiger und Planierraupe. 

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