
Kritik
«Assassin's Creed: Shadows»: ein wunderschönes, aber repetitives Samurai-Abenteuer
von Domagoj Belancic
Maskottchen, Yakuza, Kapitalismus, Sex und böse Geister – so lässt sich das wahnwitzige Game «Promise Mascot Agency» zusammenfassen. Ich schwöre, ich bin nicht betrunken.
Es gibt Games, die so schräg sind, dass es fast unmöglich ist, die Spielerfahrung in Worte zu fassen. Zu dieser Sorte Spiele gehört «Promise Mascot Agency». Es ist das zweite Werk des britischen Studios Kaizen Game Works (bekannt für «Paradies Killer»).
Ich habe mich Hals über Kopf in das absurde Abenteuer verliebt. Ich empfehle es dir aber nur, wenn du einen sehr schrägen Sinn für japanischen Humor hast und dich mit dem experimentellen Gameplay-Mix aus Open-World-Erkundung, Visual Novel und Wirtschaftssimulation anfreunden kannst. Es ist ein Spiel, das man entweder unheimlich geil oder einfach nur bescheuert findet.
Ich übernehme die Rolle des Yakuza-Mitglieds Michi. Am Anfang des Spiels vermasselt dieser einen lukrativen Deal für seine Familie. Als Strafe wird er von seiner Matriarchin in die verfluchte Stadt Kaso-Machi geschickt. Das entspricht quasi einem Todesurteil. Denn eine Legende besagt, dass alle Yakuza und sonstige Kriminelle, die die Stadt betreten, früher oder später an einem furchtbaren Tod sterben. Ausserdem spukt es dort.
Bis zu seinem Ableben soll Michi in Kaso-Machi aber noch Kohle scheffeln, um seinen Fehler wiedergutzumachen. Dies macht er in einer heruntergekommenen Maskottchenagentur, die in einem ehemaligen Love-Hotel operiert. Die Agentur vermittelt Maskottchen an Unternehmen, die Events organisieren oder Unterstützung bei sonstigen Werbezwecken benötigen.
Die Maskottchen in der Welt «Promise Mascot Agency» sind aber keine Personen in Kostümen. Nein, es sind echte, magische Lebewesen, die unter Menschen leben. Ein bisschen wie Pokémon. Nur intelligenter. Und hässlicher. So auch meine Assistentin Pinky, die mir beim Führen der Agentur hilft. Die sieht wie ein riesiger abgetrennter Finger aus – sie ist quasi ein Maskottchen für das Yubitsume-Ritual der Yakuza.
Das hört sich alles schon verdammt abgedreht an, aber glaub mir, es wird noch absurder.
Das Gameplay von «Promise Mascot Agency» ist eine wilde Mischung aus Open-World-Erkundung, Wirtschaftssimulation und Visual Novel. Eine Kombination, die auf den ersten Blick merkwürdig anmutet und zufällig zusammengewürfelt wirkt, aber die skurrile Mixtur funktioniert erstaunlicherweise hervorragend!
In der offenen Spielwelt finde ich neue Maskottchen und Mitarbeitende für die Agentur. Für die Maskottchen handle ich Verträge aus und schicke sie nach Vertragsabschluss auf verschiedene Jobs. Dabei muss ich aufpassen, dass die Lohnausgaben und weitere Fixkosten in einem gesunden Verhältnis zu den Job-Einnahmen stehen. Damit meine Mitarbeitenden zufrieden bleiben, muss ich auch immer wieder Gespräche mit ihnen führen.
Besonders gelungen ist die Bandbreite an komischen Viechern, die ich im Verlauf des Abenteuers kennenlerne. Jedes Maskottchen hat seine eigene Hintergrundgeschichte, seinen eigenen Charakter und seine bisweilen verstörenden Fetische Vorlieben. Einige meiner Lieblinge sind:
Insgesamt schalte ich 20 Maskottchen für meine Agentur frei. Nebenbei helfe ich auch mit, die heruntergekommene Stadt auf Vordermann zu bringen. Diese wurde nämlich jahrelang durch einen korrupten Bürgermeister kaputt gewirtschaftet. Je mehr Leben ich in die Stadt bringe und je mehr Geschäfte wieder ihre Pforten öffnen, desto mehr Jobmöglichkeiten gibt es.
Die offene Spielwelt von Kaso-Machi erkunde ich in Michis baufälligem Truck. Aus dem kann ich zwar nicht aussteigen, dafür kann ich ihn im Spielverlauf ordentlich upgraden. Unter anderem mit Nitro-Boost, einer Boot-Funktion, um Gewässer zu überqueren, und Flügeln, um über die Dächer Kaso-Machis zu fliegen.
Das Herumdüsen mit dem Schrottauto macht unheimlich viel Spass – dies unter anderem aufgrund der hervorragenden Steuerung. Ich empfehle, das Game auf der PS5 mit dem Dualsense-Controller zu zocken. Beim Gasgeben leisten die adaptiven Trigger Widerstand. Die LEDs am Controller leuchten auf, wenn ich den Turbo starte. Und immer wieder höre ich seltsame Geräusche aus den kleinen Speakern. Neben Sonys «Astro Bot» ist «Promise Mascot Agency» das vielleicht beste Beispiel für den kreativen Einsatz der einzigartigen Dualsense-Features.
Die Stadt ist voller sammelbarer Gegenstände. Alle paar Meter werde ich durch irgendetwas abgelenkt – direkt zu einem Ziel zu fahren, ist praktisch unmöglich. Ich zerstöre hunderte von Wahlplakaten des korrupten Bürgermeisters. Ich sammle unzählige Müllsäcke auf, die aufgrund der fehlenden Müllabfuhr in den Strassen Kaso-Machis vermodern. Und ich sammle Dutzende «Maskottchenheldenkarten», die meinen Maskottchen bei ihren Jobs helfen – dazu weiter unten mehr.
Jeder einzelne Gegenstand, den ich einsammle, gibt mir einen Vorteil beim Managen meiner Agentur. Ich gewinne mehr Fans, verdiene mehr Geld oder meine Mitarbeitenden werden zufriedener. Und weil es so unglaublich viele Gegenstände zu sammeln gibt, habe ich ständig das Gefühl, Fortschritt zu machen.
Während ich die Stadt erkunde, arbeiten meine Maskottchen im Hintergrund fleissig ihre Jobs ab, auf die ich sie immer wieder schicke. Oft geraten sie bei ihren Aufträgen in schwierige Situationen, bei denen sie Hilfe benötigen. Meine Maskottchen bleiben in zu kleinen Türen stecken, müssen vor Bienenschwärmen fliehen oder gegen defekte Getränkeautomaten kämpfen.
Passiert ein solches Unglück, werde ich benachrichtigt und ich kann ein Karten-Minispiel starten – quasi ein kleiner Bosskampf. Mit den zuvor gesammelten «Maskottchenheldenkarten» kämpfe ich an der Seite meiner Maskottchen unter Zeitdruck gegen die schier unüberwindbaren Hindernisse. Schaffe ich es nicht, To-Fu aus der engen Türe zu befreien, verdiene ich für den Job weniger Geld.
Die einzelnen Gameplay-Elemente von «Promise Mascot Agency» sind isoliert betrachtet simpel. Die Wirtschaftssimulation ist kinderleicht zu meistern, das endlose Sammeln von Gegenständen ist an Stumpfheit kaum zu überbieten und das Karten-Minispiel ist mit ultraeinfachen Regeln kaum der Rede wert. Und doch funktioniert dieser merkwürdige Gameplay-Mix irgendwie – das Spiel ist mehr als die Summe seiner simplen Einzelteile.
Beim Erkunden der Spielwelt komme ich in einen Flow-Zustand, den ich so selten in anderen Games erlebt habe. Multitaskend arbeite ich eine lange To-do-Liste ab, die nicht kürzer, sondern immer länger wird.
Nur noch schnell auf den Berg fahren, um ein neues Maskottchen zu rekrutieren. Und dann nur noch schnell auf diese kleine Insel fliegen, die ich beim Vorbeifahren gesehen habe. Aber zwischendurch muss ich unbedingt noch schnell To-Fu helfen, der bei einem Job in der Klemme steckt. Oh, und Tororo will ein Mitarbeitergespräch, also geht's nachher sofort in die Agentur zurück. Nur noch schnell dies, nur noch schnell das... Und ehe ich mich versehe, habe ich nach rund 20 Stunden die Platin-Trophäe geholt.
Auch die Sidequests, die ich für die merkwürdigen Anwohner der Stadt erledige, sind im Kern simpel und oft nicht mehr als Fetch-Quests. Sie funktionieren aber aufgrund ihrer Präsentation und Verwobenheit in die Gesamtstruktur des Spiels. Erledige ich diese, schalte ich neue Teile der Stadt und damit neue Jobs frei. Und nebenbei werde ich in ultraspannende Geschichten verwoben, die mit der mysteriösen Vergangenheit der Stadt zu tun haben.
Auch die Hauptstory ist sehr gelungen. Im Visual-Novel-Teil des Spiels lüfte ich nach und nach das Geheimnis der verfluchten Stadt und decke eine riesige Verschwörung in den Reihen meiner Yakuza-Familie auf. Ich fühle mich, als würde ich einen spannenden Krimi lesen. Das Storytelling schafft es trotz der Absurdität und dem krassen Humor, eine herzerwärmende und positive Message zu vermitteln.
Erwähnenswert ist auch das makellose Sounddesign des Games. Meine Abenteuer in Kaso-Machi werden von einem verträumten, japanisch angehauchten Soundtrack mit gelegentlichen Elektro-Elementen begleitet. Einen meiner Lieblingstracks hörst du hier:
Für die Synchronsprecher hat Entwicklerstudio Kaizen Game Works zudem die ganz schweren Geschütze aufgefahren und einige grosse japanische Stars verpflichtet. Mit dabei sind unter anderem:
Hut ab für dieses legendäre Line-Up. Wer hätte gedacht, dass ein Businessmann wie Shuhei Yoshida als Synchronsprecher eines Vogelmaskottchens brillieren kann?
Die Besetzung ist auch ein perfektes Sinnbild für das Spiel als Ganzes – auf den ersten Blick wirkt der Cast seltsam und zufällig zusammengewürfelt. Im Kontext der einzigartigen Fiebertraum-Welt von «Promise Mascot Agency» ergeben die einzelnen Elemente aber ein kohärentes Gesamtbild, das mich fasziniert und in seinen Bann zieht wie kein anderes Game, das ich dieses Jahr gespielt habe.
«Promise Mascot Agency» ist erhältlich für PS5, Xbox Series X/S, Switch und PC. Ich habe die PS5-Version getestet.
Pro
Contra
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.