

Sigma BF: weniger ist nicht mehr
Die radikal abgespeckte Design-Kamera soll das Fotografieren einfacher machen. Dabei macht Sigma einiges richtig. Doch das Weglassen von praktischen Features bedeutet keine Erleichterung.
Mit der neuen Kamera BF verspricht Sigma eine Reduktion auf das Wesentliche. Elegante Schlichtheit dominiert ihr Äusseres und auch das Fotografieren soll sich einfach anfühlen. Die Idee hat etwas. Moderne Kameras sind hyperkomplex und sehen auch so aus. Das kann abschreckend wirken.
Anders sein um jeden Preis
Die Sigma BF versucht nicht einmal, ergonomisch zu sein. Es ist ein kalter Aluminiumblock mit harten, unbequemen Kanten. Selbst der Mini-Grip, an dem sich der Daumen festhalten soll, ist aus Metall. Das ist kein Versehen, sondern ein Statement. Auf der Rückseite befinden sich neben einem Klick-Drehrad gerade mal drei Tasten. Oben der Auslöser. Vorne der Knopf zum Wechseln des Objektivs. Sonst nichts.

Anschlüsse: USB-C, sonst nichts. Speicherkarten: keine. Bildstabilisator: keinen. Sucher: keinen.
Die Sigma BF ist radikal anders. Auch dort, wo sie es nicht sein müsste. Das macht sie interessant, aber auch gewöhnungsbedürftig – um es diplomatisch zu formulieren.
Die Bedienung: überraschend gut
Als ich die News über die neue Kamera las, erwartete ich, dass sie schon am Bedienkonzept scheitern würde. Kleine Digitalkameras mit wenig Knöpfen und Rädern kenne ich zur Genüge aus den Nullerjahren – und sie hatten alle das gleiche Problem: Viele Einstellungen waren nur umständlich über ein Menü zugänglich. Oder sie fehlten ganz.
Doch die Sigma BF macht es besser. Das Steuerkreuz ist zugleich auch ein Drehrad. Der winzige Zweitbildschirm oberhalb davon zeigt die aktive Einstellung an – Belichtungszeit, Blende, ISO, etc. Drehst du am Rad, veränderst du sie. Durch Tippen von links, rechts, oben oder unten wechselst du zu einer anderen Einstellung. Insgesamt zehn Einstellungen sind so erreichbar – das reicht für den normalen Gebrauch aus.

Der Hauptbildschirm zeigt nichts als das Sucherbild an – es gibt keine Überlagerungen, die von der Motivsuche ablenken. Durch einen Klick auf die Taste im Drehrad kannst du dir die Einstellungen trotzdem anzeigen lassen – hier hast du dann die Möglichkeit für weitergehende Optionen. Blende, Belichtungszeit und ISO lassen sich einzeln auf automatisch stellen. Dadurch ergeben sich die Kameramodi P, A, S und M, ohne dass du sie explizit einstellen musst.
Clever: Auf dem Zweitbildschirm leuchten automatisch gewählte Werte weniger hell – so erkennst du sofort, ob du einen Wert verändern kannst oder nicht. Und noch eine nette Kleinigkeit: Die zwei Tasten für Wiedergabe und Menü lassen sich sowohl berühren als auch drücken. Bei einer Berührung zeigt die Wiedergabetaste das zuletzt geschossene Bild an. Der Systembutton zeigt an, wie viel Akku du hast, wie spät es ist und wie viele Aufnahmen du noch machen kannst, bis der Speicher voll ist.
Die Bedienung bleibt auch deshalb einfach, weil sich vieles nicht einstellen lässt. Reduktion auf das Wesentliche halt.
Umdenken beim Autofokus
Beim Autofokus (AF) hat mich der Minimalismus zuerst sehr gestört. Ich kann entweder einen kleinen Einzelpunkt oder das ganze Sucherbild als AF-Punkt wählen. Dazwischen gibt es nichts. Das AF-Feld ist so klein, dass der Autofokus oft nicht funktioniert, weil im Feld zu wenig Kontrast erkennbar ist. Vergrössern kann ich es nicht.
Es stellt sich aber heraus, dass ich den Einzelpunkt-AF praktisch nie brauche. Lasse ich die Kamera den Fokus automatisch wählen, kann ich nämlich trotzdem auf dem Touchscreen einen Bereich antippen, der fokussiert werden soll. Dabei aktiviert die Kamera die Objektverfolgung und hält den angetippten Bereich scharf, wenn ich die Kamera bewege. Mit einem Tipp auf eine eingeblendete Taste ist die Objektverfolgung wieder ausgeschaltet. Das funktioniert sehr gut.

Fokussiert die Kamera vollautomatisch auf etwas Unerwünschtes, kann ich mit den Pfeiltasten nach oben und unten zum nächsten näheren respektive entfernteren Fokuspunkt springen. Das finde ich eine gute Idee. Allerdings muss ich dabei den Auslöser halb gedrückt halten, was dazu führt, dass ich ihn ab und zu versehentlich betätige.
Tippe ich bei halb durchgedrücktem Auslöser auf die Mitte-Taste, aktiviere ich vorübergehend den Einzelfeld-AF. Auch dabei besteht aber das Problem, dass ich unabsichtlich ein Foto mache.
Schliesslich kann ich auch einstellen, ob und für wie lange bei halb durchgedrücktem Auslöser die Fokuslupe angezeigt werden soll. Dies, weil es möglich ist, manuell nachzufokussieren.
Habe ich das Konzept verstanden, ist der Autofokus simpel zu benutzen und trotzdem für die meisten Situationen genügend flexibel. Für jemanden wie mich, der mit dem Autofokus einer komplexen Kamera gut zurechtkommt, ist und bleibt er aber eine Einschränkung.
Weglassen, bis es weh tut
Den Sucher suche ich vergebens. Es gibt keinen, auch nicht als optionales Zubehör – dafür müsste die Kamera einen Zubehörschuh haben.
Spätestens seit meinem 45. Lebensjahr sind für mich Kameras ohne Sucher ein No-Go: Um den Bildschirm aus der Nähe scharf zu sehen, müsste ich eine Lesebrille aufsetzen. Aber dann sehe ich nicht mehr scharf, was es überhaupt zu fotografieren gäbe. Bei einem Sucher kann ich die Dioptrien auf Weitsichtigkeit einstellen und sehe alles perfekt.
Auch sonst wäre ein Sucher praktisch, da er im Sonnenlicht besser sichtbar bleibt. Die Kamera hat eine Funktion, um im Sonnenlicht die Bildschirmhelligkeit automatisch anzupassen. Allerdings sehe ich keinen Unterschied, ob die Funktion ein- oder ausgeschaltet ist.
Aber nicht nur im Sonnenlicht gibt es Probleme. Will ich etwas in Bodennähe fotografieren, muss ich mich flach auf den Boden legen. Denn der Bildschirm ist unbeweglich. Will ich mich selbst filmen, sehe ich nicht, ob ich im Bild bin. Es gibt auch keine App, mit der ich in solchen Fällen das Sucherbild sehen könnte. Es kann keine geben, weil WLAN und Bluetooth wie so vieles andere weggelassen wurden.
Dafür gibt’s als Zubehör einen Kabelfernauslöser. Per USB-C.
Bildqualität: gut für so eine kleine Kamera
Der Sensor hat eine Auflösung von 24 Megapixeln. Das ist für Vollformat relativ wenig, resultiert aber in einem guten Rauschverhalten bei hoher ISO-Empfindlichkeit. Zumal es sich um einen rückwärtig belichteten Sensor handelt. Selbst bei 51 200 ISO kann ein Foto brauchbar werden. Das tröstet ein wenig über den fehlenden Bildstabilisator hinweg.
Die Dynamik ist ohne Labormessungen schwierig zu beurteilen. Sicher ist, dass die DNG-Dateien nur 12 Bit statt der heute üblichen 14 Bit aufweisen. Ob das im Alltag wirklich ein Nachteil ist, kann ich nicht sagen. Hier siehst du eine Gegenlichtaufnahme unkorrigiert, das heisst mit den Default-Einstellungen von Adobe Lightroom und die gleiche Aufnahme mit Tiefen und Lichtern maximal korrigiert. Dies gibt einen ungefähren Eindruck, wie stark sich Rohdateien korrigieren lassen.
Bildstile – nett, solange du nichts anpasst
Für Videos und JPEG-Fotos hält die Sigma BF 13 Farbstile bereit. 12 davon sind in Farbe, ein Bildstil ist monochrom. Die Farbstile sind Geschmackssache, ich mag viele von ihnen gern.
Die Stile lassen sich anpassen: Es stehen die Parameter Lichter und Schatten sowie Vignette und Verblassen zur Wahl. Das Anpassen von Lichtern und Schatten führt allerdings zu unbrauchbaren Ergebnissen. Im folgenden Selfie habe ich die beiden Parameter nur um zwei von fünf Stufen angehoben beziehungsweise abgesenkt, um ein weicheres Bild zu erhalten. Der Effekt ist schon bei dieser geringen Anpassung zu stark und unschön (Mitte). Bei maximal aufgedrehten Einstellungen (rechts) ist er einfach nur noch grotesk.

Übler Stromfresser
Der Akku hat kleine Abmessungen, fasst aber 3300 mAh – ein sehr guter Wert. Zum Vergleich: Der Akku einer Canon EOS R5 fasst 2130 mAh. Trotzdem hält er bei der Sigma BF nicht lange. Der CIPA-Wert liegt bei mageren 260 Bildern. Da ist die Canon EOS R5 mit 490 Bildern wesentlich besser dran, beim Nachfolger R5 II sind es gar 630 Bilder.
Im Alltag fühlt es sich nach noch weniger an. Hauptgrund dafür dürfte die schlechte Standby-Funktion sein.
Tippe ich nur kurz auf den Ein-Aus-Schalter, geht die Kamera ins Standby. Während dieser Zeit zeigt sie auf dem kleinen Hilfsbildschirm die Akkukapazität in Prozent an – und ich kann zuschauen, wie dieser Wert sinkt. Die Kamera muss enorm viel Strom im Standby saugen. Durch langes Drücken der Taste lässt sich die Kamera auch ganz ausschalten – dann braucht sie über eine Sekunde, bis sie in Betrieb ist. Andere Kameras machen das viel besser. Sie sind auch aus dem ausgeschalteten Zustand sofort bereit und brauchen überdies fast keinen Strom im Standby.

SSD und USB-Anschluss
Die Sigma BF verfügt über eine interne SSD. Laut Sigma fasst sie 230 GB, tatsächlich sind es eher 250 GB. Das reicht für 4300 RAW-Fotos. Radikal, wie die Sigma BF ist, hat sie nur eine SSD, keinen Kartenslot.
Grundsätzlich ist interner Speicher bei Kameras eine super Sache – bei dieser Meinung bleibe ich, obwohl mir damals teilweise heftig widersprochen wurde. Allerdings finde ich auch, dass dieser Speicher nicht ein Ersatz für wechselbare Karten sein sollte, sondern eine Ergänzung. Also ein Backup oder ein Notfallspeicher, falls die Karte vergessen ging.
Besteht der Speicher nur aus einer SSD, stellen sich verschiedene Fragen. Da wäre zuerst die nach der Langlebigkeit. Gehen wir davon aus, dass es sich um eine Triple-Level-Cell-SSD mit 2000 Schreibzyklen handelt, so hat die SSD eine Lebensdauer von 8,6 Millionen RAW-Fotos. Das reicht auf jeden Fall.
Trotzdem kann eine SSD jederzeit kaputt gehen. Ob sie sich bei einem Defekt austauschen lässt, habe ich beim Sigma-Reparaturservice angefragt. Die Antwort steht noch aus.

Die zweite Frage ist die nach Backups. Selbstverständlich lassen sich die Aufnahmen via USB auf einen Computer übertragen, was auch sehr flott geht. Das passende USB-3.2-Kabel muss ich jedoch selbst besorgen.
Alternativ lässt sich ein Kartenleser oder sonst ein USB-Speicher anschliessen, um ein Backup auch ohne Computer zu machen. Dabei können Fotos aber nur einzeln oder tageweise ausgewählt werden, und die Übertragung ist erstaunlich langsam. Der Grund ist unklar. Ich benutze eine CFexpress-Karte und einen Kartenleser von Angelbird, beide sind normalerweise sehr schnell.
Ein Cloud-Backup ist nicht möglich, da die Kamera keine Internetverbindung kennt.
Video: viele Abstriche
Die Videofunktion wird dort aktiviert, wo du zwischen Einzelbild, Serienbild oder Belichtungsreihen wählst. Und das entspricht ungefähr dem Stellenwert, der Video bei dieser Kamera hat: Es ist eine Betriebsart von vielen.
Die Hardware bietet ohne Bildstabilisator und ohne beweglichen Bildschirm keine guten Voraussetzungen für Video. Elektronische Bildstabilisierung gibt es – mit dem dabei üblichen Crop. Selbstverständlich fehlen bei diesem Weniger-Ist-Mehr-Designstück auch Kopfhörer-, Mikrofon-, und HDMI-Anschluss sowie der Zubehörschuh. Über den USB-Anschluss lässt sich mit einem Adapter ein Kopfhörer nutzen und angeblich auch ein Mikrofon (nicht getestet). Das ist besser als nichts, aber kein Ersatz für komfortable Anschlüsse.
4K schafft die Sigma BF nur mit 30 Frames pro Sekunde. Dafür kann sie auch 6K, sofern du H.265 oder L-Log verwendest. Mit Full HD erreicht die Kamera 120 FPS, aber in deutlich reduzierter Qualität.
Die Gesichtserkennung funktioniert, aber ich kann weder Fokusgeschwindigkeit noch Empfindlichkeit einstellen. Die Kamera fokussiert schnell, reagiert aber langsam. Ich finde: entweder beides langsam oder beides schnell. So wirkt es unausgewogen.
Das Objektiv, das ich für diesen Test verwendet habe, ist nicht für Video ausgelegt und produziert nervige Autofokus-Geräusche. Und bei der Sigma BF wirst du normalerweise mit dem internen Stereo-Mikrofon filmen, welches diese Geräusche gut aufnimmt.
Fazit
Unnötige Einschränkungen
Für gewöhnlich haben Kameras mit wenig Knöpfen und Rädern eine umständliche Bedienung. Die Sigma BF ist die erste Kamera, bei der das nicht stimmt. In diesem Punkt hat sie mich positiv überrascht.
Dennoch finde ich, dass die Kamera ihr zentrales Versprechen nicht einlöst. Durch die Reduktion auf das Wesentliche soll das Fotografieren einfacher werden. Doch ein eingebauter Bildstabilisator, ein beweglicher Bildschirm oder ein Sucher würde das Fotografieren nicht komplizierter machen – im Gegenteil. Diese Art von Reduktion legt mir nur Steine in den Weg.
Die Bildqualität ist in Ordnung. Für die Akkulaufzeit gilt das leider nicht. Auch im Standby leert sich der Akku erstaunlich schnell. Schaltest du die Kamera ganz aus, ist sie nicht sofort betriebsbereit.
Die eingebaute SSD ist eine super Sache. Dass der USB-Anschluss die einzige Schnittstelle ist und es nicht mal Bluetooth und WLAN gibt, fällt jedoch wieder in die Kategorie «unnötige Einschränkung».
Eine Kamera darf ein Nischenprodukt sein und muss es nicht allen recht machen. Bei der Sigma BF ist mir allerdings auch nach dem Test nicht klar, für wen sie geeignet sein könnte.
Pro
- eingebaute SSD
- durchdachtes Bedienkonzept
- gute Bildqualität bei hoher ISO
- einfacher, aber guter Autofokus
Contra
- schlechte Akkulaufzeit
- kein Sucher
- kein beweglicher Bildschirm
- kein Bildstabilisator
- kein WLAN und Bluetooth
- wenig Einstellmöglichkeiten



Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.