Deine Daten. Deine Wahl.

Wenn du nur das Nötigste wählst, erfassen wir mit Cookies und ähnlichen Technologien Informationen zu deinem Gerät und deinem Nutzungsverhalten auf unserer Website. Diese brauchen wir, um dir bspw. ein sicheres Login und Basisfunktionen wie den Warenkorb zu ermöglichen.

Wenn du allem zustimmst, können wir diese Daten darüber hinaus nutzen, um dir personalisierte Angebote zu zeigen, unsere Webseite zu verbessern und gezielte Werbung auf unseren und anderen Webseiten oder Apps anzuzeigen. Dazu können bestimmte Daten auch an Dritte und Werbepartner weitergegeben werden.

Envision Entertainment
Kritik

Wuselfaktor 2.0: Wie «Pioneers of Pagonia» in die Fußstapfen von «Die Siedler» schlüpft

Kim Muntinga
10/12/2025
Bilder: Kim Muntinga

Nach der Enttäuschung um das jüngste «Siedler»-Revival zeigt «Pagonia», wie klassischer Aufbau heute funktionieren kann. Klare Strukturen, saubere Logistik und ruhiges Wachstum ersetzen große Versprechen. Das wirkt überraschend zeitgemäß.

Wie durch ein unsichtbares Abkommen bewegen sich die Pioniere zwischen den Hütten und Werkstätten hindurch, jeder geht seiner eigenen Aufgabe nach. Auf dem Hauptweg ziehen Träger vorbei, die Körbe voller Beeren oder Bretter balancieren. Einige nehmen elegante Kurven, andere laufen sich fast gegenseitig über die Füße, bleiben kurz stehen, drehen sich orientierungslos im Kreis und finden dann doch wieder ihren Platz im Gewusel.

Die Holzfäller marschieren in tiefem Rhythmus aus ihrer Hütte, Äxte über die Schultern geschwungen, bevor sie im Wald verschwinden. Vom Steinbruch dringt ein regelmäßiges Klopfen herauf, unterbrochen vom Trippeln kleiner Schritte, wenn Träger den frisch gewonnenen Stein abholen. Weiter oben, am Bauernhof, beugt sich ein Gärtner so sorgfältig über sein Beet, als sei die einzelne Pflanze das wichtigste Gut der ganzen Insel.

Hier zeigt sich der Wuselfaktor von Pagonia: Dutzende Arbeiter sind gleichzeitig unterwegs.
Hier zeigt sich der Wuselfaktor von Pagonia: Dutzende Arbeiter sind gleichzeitig unterwegs.

Nichts davon ist spektakulär. Und gerade deshalb wirkt es so lebendig. Das Dorf funktioniert nicht trotz des Gewusels, es funktioniert durch das Gewusel. Jede kleine Bewegung, jeder Träger, der kurz stehen bleibt, weil der Weg blockiert ist, jeder Bauer, der zur richtigen Sekunde gießt: Es ist ein leises Durcheinander, das sich zu einem harmonischen Gesamtbild fügt.

Von «hier oben» fühlt es sich an, als würde ich nicht ein Strategiespiel betrachten, sondern den Alltag in einer Miniaturwelt. Und für einen Augenblick vergesse ich völlig, dass ich derjenige bin, der diese Welt überhaupt erst möglich gemacht hat. Ich schaue nur zu. Das reicht, um mich hineinzuziehen.

Wenn ein Name Erinnerungen weckt

Wenn ich ehrlich bin, hatte «Pioneers of Pagonia» mich schon in dem Moment, als der Name Volker Wertich fiel. Für jemanden wie mich, der mit den alten «Siedler»-Teilen groß geworden ist – besonders mit den charmant-chaotischen Wirtschaftskreisläufen der ersten bis vierten Generation – war das ein bisschen wie ein vertrautes Echo.

Volker Wertich, der kreative Kopf hinter den frühen «Siedler»-Teilen, überträgt viele seiner damaligen Prinzipien auf «Pioneers of Pagonia».
Volker Wertich, der kreative Kopf hinter den frühen «Siedler»-Teilen, überträgt viele seiner damaligen Prinzipien auf «Pioneers of Pagonia».
Quelle: Envision Entertainment

Während viele moderne Städtebauspiele effizienter, größer, systemischer geworden sind, liebe ich diese leichte, fast spielerische Wärme, die entsteht, wenn man einfach einer kleinen Trägerkolonne zusieht, wie sie Waren von A nach B schleppen.

«Pioneers of Pagonia» ist das erste große Projekt des neu gegründeten Studios Envision Entertainment, das Wertich gemeinsam mit ehemaligen Blue-Byte- und EA-Veteranen aufgebaut hat. Das Spiel versteht sich als spiritueller «Siedler»-Nachfolger, ohne die Marke zu kopieren: ein klassisches, entschleunigtes Aufbauspiel, das seine Faszination aus komplexen Produktionsketten, einem organisch tickenden Wirtschaftssystem und vor allem aus seinem lebendigen Wuselfaktor zieht. Statt auf große Schlachten setzt es auf Expansion, Erkundung und mikrologistische Präzision.

Erste Schritte auf Pagonia

Der Beginn in «Pioneers of Pagonia» fühlt sich an wie der erste Atemzug einer Welt, die noch keine Form hat. Meine kleine Landungstruppe steht auf einem unberührten Stück Küste: ein paar Pioniere, ein paar Träger, einfache Werkzeuge. Keine Vorräte, keine Hütten, kein Fundament. Die Insel wartet darauf, dass jemand den ersten Schritt wagt und dieser Schritt beginnt mit dem Abbau von Rohstoffen und einem Rohstoffdepot.

Der Start jeder Siedlung: Träger verteilen Rohstoffe, während die ersten Gebäude entstehen.
Der Start jeder Siedlung: Träger verteilen Rohstoffe, während die ersten Gebäude entstehen.

Die Pioniere ziehen los und sammeln die ersten schlanken Bäume. Träger bringen die Stämme zurück, Stein folgt kurz darauf. Mit jedem getragenen Stück Material zeichnet sich ab, wohin es gehen soll. Aus den ersten Dutzend Holzscheiten entsteht ein Holzfällerlager, aus dem nächsten Schwung Steine eine einfache Werkstatt. Der Baumeister setzt Balken, zieht Wände hoch, schließt Dächer ab und plötzlich steht das erste Gebäude der neuen Siedlung.

Sobald diese grundlegenden Strukturen existieren, kommt Bewegung in das Geschehen. Das Holzfällerlager entsendet seine ersten Arbeiter, die Werkstatt produziert Werkzeuge, der Steinmetz liefert Material für weitere Projekte. Ein Rhythmus entsteht: Arbeiter holen Rohstoffe, Träger verteilen Waren, Wege verbinden die neuen Knotenpunkte miteinander. Die Welt beginnt zu funktionieren, erst langsam, dann flüssiger.

Meine Siedlung breitet sich entlang der Küste aus, während Träger, Handwerker und Arbeiter für stetige Bewegung sorgen.
Meine Siedlung breitet sich entlang der Küste aus, während Träger, Handwerker und Arbeiter für stetige Bewegung sorgen.

Dieser Aufbau hat seit der Early-Access-Version deutlich an Tiefe gewonnen. 2023 wirkten manche Abläufe noch grob, manche Produktionsketten unvollständig. Heute greifen die Systeme spürbar besser ineinander. Aufgaben verteilen sich nachvollziehbarer, Logistikflüsse entstehen klarer, auch wenn mir manchmal noch die Übersicht oder ein Hinweis fehlt, wenn es nicht funktioniert. Meine Siedlung entwickelt einen eigenen Takt. Jeder neue Bau setzt eine kleine Bewegungskette in Gang.

Der Kern des Spiels: Wirtschaft, Kreisläufe und Logistik

Sobald die ersten Gebäude stehen und die Siedlung ihren eigenen Atem entwickelt, zeigt «Pioneers of Pagonia» sein eigentliches Gesicht. Die Dynamik des Spiels entsteht aus seinen Produktionsketten und dem ständigen Fluss der Logistik. Alles, was später groß wirkt, beginnt in diesen Abläufen: Holz zu Brettern, Stein zu Baublöcken, Getreide zu Brot. Und je größer meine Siedlung wird, desto klarer spüre ich, wie entscheidend es ist, diese Ströme im Blick zu behalten.

Der Technologiebaum dient als Überblick über die gesamte Produktionshierarchie: Jede Stufe schaltet neue Berufe und Werkstoffe frei.
Der Technologiebaum dient als Überblick über die gesamte Produktionshierarchie: Jede Stufe schaltet neue Berufe und Werkstoffe frei.

Die Produktionsketten sind komplex genug, um mich zu fordern, ohne mich zu überfordern. Sie greifen logisch ineinander. Rohstoffe werden veredelt, Waren weiterverarbeitet, und jedes neue Gebäude öffnet eine weitere Ebene des Wirtschaftssystems. Vieles erinnert mich an «Die Siedler».

In der Werkstatt entstehen Werkzeuge und einfache Waffen: das Fundament für Berufe, Ausbau und militärische Einheiten.
In der Werkstatt entstehen Werkzeuge und einfache Waffen: das Fundament für Berufe, Ausbau und militärische Einheiten.

Zum Wirtschaftskreislauf gehört auch das Militär. Die Kaserne fordert Warenströme ein wie jedes andere Gebäude auch und reagiert spürbar auf Engpässe. Dadurch bleibt das Militär fest im wirtschaftlichen Gefüge verankert. Es dient der Expansion und der Sicherung neuer Gebiete, wirkt aber weniger wie ein kampflastiges System, sondern wie ein weiterer Verbraucher, der mitgeplant werden will.

Das Haupthaus steuert die Rekrutierung: Hier entstehen Pioniere, Handwerker und militärische Einheiten für die wachsende Siedlung.
Das Haupthaus steuert die Rekrutierung: Hier entstehen Pioniere, Handwerker und militärische Einheiten für die wachsende Siedlung.

Eine der bekanntesten Herausforderungen der Siedlerreihe ist hier ebenfalls präsent: der verfügbare Bauplatz und die Anordnung der Gebäude. «Pagonia» zwingt mich nicht zu strikten Rasterlayouts, aber es belohnt durchdachte Planung. Straßen entscheiden darüber, wie rund Waren fließen. Jedes Gebäude schmiegt sich an ein Wegenetz, das ich selbst zeichne. Ich setze Markierungen, ziehe Linien, verbinde Knotenpunkte. So entsteht eine Siedlung, die ich nicht einfach baue, sondern skizziere und die später genau so funktioniert, wie ich sie angelegt habe. Oder eben nicht, wenn ich fahrlässig plane.

Die Welt von Pagonia: Inseln, Entdeckungen und Atmosphäre

Sobald meine Siedlung stabil läuft, richtet sich mein Blick nach außen. Die Insel liegt nicht als offene Karte vor mir, sondern als Stückwerk aus sichtbaren Zonen und dichtem Nebel. Erst wenn meine Pioniere losziehen, öffnet sich die Welt. Jeder Schritt legt neue Wälder, Anhöhen oder Küstenabschnitte frei und zeigt mir, wie viel Gestalt diese Landschaft erst durch meine Erkundung gewinnt.

Dieser Nebel ist mehr als eine formale Begrenzung. Er strukturiert das Tempo der Expansion. Wo sich ein breites Tal öffnet, plane ich Landwirtschaft. Wo Felsen einen Engpass formen, setze ich später einen Wachposten. Die Topografie lenkt meine Entscheidungen und gibt der Insel eine klare, logisch nachvollziehbare Ordnung.

Eine gewachsene Siedlung in voller Ausdehnung: Gebäude verteilen sich entlang von Hängen, Klippen und Tälern.
Eine gewachsene Siedlung in voller Ausdehnung: Gebäude verteilen sich entlang von Hängen, Klippen und Tälern.

Ab und zu stoße ich auf andere Fraktionen: kleine Ansiedlungen, Türme oder Handelspunkte. Diese Begegnungen wirken natürlich eingebettet, ohne große Dramatisierung. Manche bieten Ressourcen, andere blockieren Wege. Die Insel erhält dadurch soziale Konturen, ohne den Aufbaufluss zu stören.

Mit jeder erkundeten Fläche verändert sich mein Verständnis dieser Welt. Wege zeichnen sich wie Linien einer wachsenden Skizze durchs Gelände, und die Insel gewinnt Struktur, abhängig von dem, was ich entdecke und wie ich darauf reagiere. Die Atmosphäre bleibt ruhig und unaufgeregt: ein verlässlicher Rahmen, der das Spiel trägt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

Kämpfe und Bedrohungen: Wie viel Konflikt braucht der Aufbau?

Konflikte spielen in «Pioneers of Pagonia» eine zurückhaltende, aber spürbare Rolle. Sobald meine Siedlung wächst, stoße ich auf Räuberbanden oder feindliche Fraktionen, die begrenzte Zonen kontrollieren. Diese Bedrohungen verlangen eine militärische Grundstruktur, aber sie dominieren das Spiel nicht.

Attacke!
Attacke!

Soldaten entstehen über dieselben Wirtschaftsketten wie alle anderen Berufe. Waffen, Rüstungen und Proviant müssen bereitstehen, bevor eine Einheit aktiv wird. Dadurch werden Kämpfe zu einer Folge wirtschaftlicher Entscheidungen, nicht zu einem separaten Spielmodus.

Wenn es zum Konflikt kommt, bleibt der Ablauf übersichtlich. Militärische Posten sichern Grenzen, Trupps räumen Hindernisse aus oder öffnen den Weg für neue Expansionen. Es geht weniger um Taktik, sondern mehr um Vorbereitung: Wer seine Wirtschaft stabil führt, meistert auch die Gefechte ohne Hektik.

Meine Wachtruppen greifen das feindliche Banditenlager an.
Meine Wachtruppen greifen das feindliche Banditenlager an.

Die Kampagne: ein ruhiger Rahmen mit klarer Struktur

Die Kampagne von «Pioneers of Pagonia» setzt auf einen ruhigen Erzählrahmen. Jede Insel steht für ein eigenes Szenario mit klar benannten Aufgaben: bestimmte Ressourcen sichern, feindliche Stellungen ausschalten, Handelspartner erreichen oder eine stabile Wirtschaft aufbauen. Die Ziele geben Orientierung, ohne den Spielfluss zu verengen.

Dialogfenster wie dieses leiten die Szenarien ein: kurze Hinweise, klare Ziele und ein bewusst zurückhaltender erzählerischer Rahmen.
Dialogfenster wie dieses leiten die Szenarien ein: kurze Hinweise, klare Ziele und ein bewusst zurückhaltender erzählerischer Rahmen.

Was mir daran gefällt: Die Kampagne drängt mich nicht in eine Richtung. Sie eröffnet einen Pfad und lässt mich selbst entscheiden, wie ich ihn gehe. Manche Szenarien entwickeln sich fast wie kleine Lernabschnitte: eine Insel stärkt die Logistik, eine andere die Militärplanung, wieder eine andere fordert ein sauber geplantes Wegenetz. Dadurch fühlt sich die Kampagne weniger wie eine Geschichte an, sondern mehr wie eine Serie von Inseln, die meine Siedlerfähigkeiten Schritt für Schritt schärfen. Das hilft mir wie ein Tutorial, kann aber auch langatmig wirken.

Die narrative Ebene bleibt dezent und funktional. Kurze Briefings setzen den Rahmen, aber der eigentliche Fokus liegt weiterhin auf dem Aufbau. Die Kampagne strukturiert den Fortschritt, ohne ihn zu dominieren. Sie ist ein Gerüst, das trägt, aber nicht drängt und damit genau der richtige Ansatz für ein Spiel, dessen Spannung aus Planung entsteht, nicht aus dramatischen Wendungen. Einen kleinen Twist gibt es dennoch in der Handlung. Den werde ich hier jedoch nicht verraten.

Am Ende bleibt der Gedanke des Aufbruchs: Pagonia wartet auf dich und mich.
Am Ende bleibt der Gedanke des Aufbruchs: Pagonia wartet auf dich und mich.

«Pioneers of Pagonia» ist ab dem 11. Dezember in der Vollversion für den PC verfügbar.

Fazit

Wenn der Wuselfaktor zur Spielstärke wird

Nach vielen Stunden in «Pioneers of Pagonia» bleibt vor allem eines hängen: die Ruhe eines Spiels, das seine Spannung nicht aus dem Spektakel zieht, sondern aus der Qualität seines Wachstums. Die Siedlung entwickelt sich stetig weiter, Schicht für Schicht, bis aus ein paar Pionieren ein fein verzahntes Netzwerk aus Wegen, Werkstätten und Warenströmen entsteht. Dieser Prozess ist nicht laut, nicht aufdringlich, aber er trägt.

Die Langzeitmotivation entsteht vor allem aus der eigenen Planung. Wer gerne an Produktionsketten feilt, Wege optimiert oder Dorfstrukturen neu denkt, findet in «Pagonia» eine beständige Aufgabe. Auch die Inseln der Kampagne unterstützen diesen Eindruck. Sie geben Ziele vor, aber sie bestimmen nicht meinen Weg. Jede Karte schärft eine andere Fähigkeit, jede Aufgabe setzt neue Schwerpunkte.

«Pioneers of Pagonia» ist kein Spiel der großen Momente, sondern der klaren Strukturen. Genau darin liegen seine Stärke und seine Schwäche.

Pro

  • Wuselfaktor
  • klares Wirtschaftssystem
  • entschleunigtes Aufbaugefühl und visuell starke Inseln
  • Militär sinnvoll eingebettet

Contra

  • wenig erzählerische Tiefe und kaum Abwechslung im Missionsdesign
  • fehlende Übersicht in komplexen Siedlungen
Titelbild: Envision Entertainment

3 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Die Interessen sind vielfältig, gerne genieße ich einfach nur das Leben. Immer auf der Suche nach News aus den Bereichen Darts, Gaming, Filme und Serien.


Kritik

Welche Filme, Serien, Bücher, Games oder Brettspiele taugen wirklich etwas? Empfehlungen aus persönlichen Erfahrungen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Kritik

    «Ghost of Yōtei» im Test: Ist das noch Open World?

    von Simon Balissat

  • Kritik

    «Dispatch»: ein leises, aber wirkungsvolles Superhelden-Adventure

    von Kim Muntinga

  • Kritik

    «Anno 117» im Test: perfekter Aufbau-Flow im alten Rom

    von Samuel Buchmann

1 Kommentar

Avatar
later