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Hintergrund

Hightech und Handarbeit: Wie in Schänis Bico-Matratzen entstehen

Ich bin müde, sehr müde. Sieben Stunden hat mein Hirn Input zum Thema Matratzen bekommen. Da liegt der Gedanke an Schlaf nahe. Eine Reportage aus der Matratzenfabrik von Bico in Schänis.

Eckig und weiss – so liegt die Matratze in meinem Bett. Acht Stunden pro Tag liege ich auf ihr. Die Matratze erledigt ihren Job ziemlich gut. Es ist keine von der billigen Sorte. Nach einer Beratung im Fachgeschäft hatten meine Frau und ich vor zwei Jahren einen vierstelligen Betrag für Matratzen und Lattenroste im Laden gelassen – pro Person.

Ein bisschen hatte ich damals das Gefühl, Opfer cleveren Matratzen-Marketings geworden zu sein. Als ich kürzlich über ein paar Umwege Jens Fischer, den Marketing-Verantwortlichen von Bico kennenlernen konnte, war mein Jagdinstinkt geweckt. Schliesslich stammte auch meine Luxus-Matratze von eben diesem Schweizer Hersteller.

Für ä tüüfä gsundä Schlaaf.
Den 1973 lancierten Werbespruch von Bico kennt wohl die ganze Schweiz.

Ein paar freundliche E-Mails gingen hin und her, dann war es soweit. Ich hatte die Zusage, die Fertigung von Matratzen anschauen zu dürfen. Der Weg führt Fotograf Chris Walker und mich nach Schänis. 3800 Einwohner, zwischen Zürich-Obersee und Walensee gelegen. Hier ist die Bico, eine Marke der schwedischen Hilding Anders Gruppe, zuhause.

Ihren Ursprung haben alle Modelle in der Matratzenfabrik am Sitz der Firma in Schänis. Die Schlafunterlagen haben wohlklingende Namen wie «Body Fine», «Body Luxe», «Clima Pro» und «Vita Feel». Das klingt moderner als die blau-graue Fabrik aus den 70er-Jahren von aussen wirkt. Beim Rundgang ist neben dem Marketing-Chef auch Rocco Cristofaro dabei. Er ist Innovation Manager bei Bico.

In der Halle könnte man locker auch ein Fussballfeld unterbringen. Hier sieht es aus wie in einer überdimensionierten Näherei. Und in der Tat werden hier ziemlich grossflächige Stoffe vernäht. In der Regel mindestens 90 mal 200 Zentimeter. Die Hälfte aller Matratzen, die Bico verkauft, haben dieses Mass.

Der Schaum

Doch beginnen wir am Anfang. Genauer gesagt beim Innenleben der Matratze. Dazu fahren wir von Schänis erst einmal nach Wolfhausen, einem Ort der Gemeinde Bubikon. Hier hat die Firma Foampartner AG ihren Sitz.

30 Meter lang darf der Kuchen werden. Dann schneidet ihn eine Säge ab, und der Block wird in die Reifekammer verschoben, einer dunklen Halle mit dutzenden Lagerplätzen. Ein frisch produzierter Schaumstoffblock kann im Inneren bis zu 180 Grad heiss werden. Der Cooldown dauert bis zu drei Tage.

Der Bezug

Wir folgen dem Weg der Vorprodukte zurück nach Schänis. Hier bekommen die Matratzenkerne ihre Hülle. Sie ist wichtig, wie mir Rocco erklärt:

Liegst du auf einer Matratze, siehst du den Schaum im Kern nicht, du kannst ihn nicht anfassen. Was deine Haut spürt, ist der Bezug der Matratze.

Hier ist Handarbeit Trumpf. Näherinnen mit vielen Jahren Erfahrungen machen aus verschiedenen Stoffen an Nähmaschinen den Bezug. «Jeder Stoff verhält sich ein bisschen anders, das kann keine Maschine. Es braucht viel Gefühl», erklärt mir Markus Läser, Leiter der Produktion bei Bico.

Was die Maschine auswirft, landet auf grossen Tischen mit Nähmaschinen. Dort stehen Näherinnen, die mit dem Fuss die Geschwindigkeit steuern, mit der die Nadeln sich auf und ab bewegen. Mit linkem und rechtem Unterarm schieben sie die schweren Stoffbahnen vorwärts und bringen den Reissverschluss oder die Bordüre an. Markus’ Wertschätzung für die Näherinnen ist gross:

Sie sind im Prinzip wie Pilotinnen im Helikopter.

Ihre Arbeit erfordert hohe Konzentration und Koordination. Männer scheinen für diese Tätigkeit nicht geeignet. Die Nähtische sind fest in Frauenhand.

Handarbeit in der Schweiz ist teuer. Bei Bico gibt es sie trotzdem noch, weil Markus und sein Team immer wieder Ideen für Verbesserungen haben. Das schwierige Nähen der Ecken wurde durch eine Nähmaschine erleichtert, die den Faden direkt nach der Naht auch gleich schneidet. Bei Hunderten Bezügen pro Tag zählt jede Sekunde, die einen Prozess verkürzt.

Die Technologie

Deshalb sind, wie mir Rocco erklärt, alle Bezüge bei Bico bei 60 Grad waschbar. Das wird immer wieder auch getestet. In Schänis steht dafür keine Industrie-Waschmaschine, sondern ein Adora-Modell von V-Zug, das Lieblingsmodell der Schweiz.

Bevor eine neue Matratze auf den Markt kommt, wird sie einer Bico-eigenen Testprozedur unterzogen. In einer Klimakammer liegt ein Sweater-Body gerade auf einer neuen Matratze. Ein Metallkörper, der ähnlich wie ein menschlicher Körper Wärme und Feuchtigkeit abgibt. In der Klimakammer wird gemessen, wie schnell und gut die Feuchtigkeit wieder aus der Matratze entweicht, wenn der Sweater-Body seinen Simulationsschlaf beendet hat.

In einem anderen Bereich wird die Druckverteilung eines Körpers auf neuen Schaumstoffen gemessen und per Computer ausgewertet. Wie gut schafft es die oberste Schicht, das Gewicht eines Menschen zu verteilen? Wie stark sinkt der Schulterbereich ein? Wird der Körper auch im Bereich der Lendenwirbel noch gestützt? Das sind Fragen, auf die Rocco und seine Leute hier nach Antworten suchen.

Der ökologische Fussabdruck

Klar ist: Wir haben da noch einen Weg vor uns.

Das Marketing

Schaumstoffe mit erlesenen Ingredienzien. Näherinnen, die eine Nähmaschine bedienen wie andere einen Helikopter. Jetzt ahne ich, warum eine Matratze aus der Bico-Fabrik mehr Geld kostet als andere. Trotzdem habe ich noch Fragen. Rocco ist lange genug im Geschäft, um die Tricks zu kennen, mit denen man eine Matratze erfolgreich verkauft.

Die Preisfrage

Billigmatratzen bestehen häufig nur aus zwei oder maximal drei verschiedenen Standard-Schaumstoffen. Damit könne man die verschiedenen Anforderungen nur bis zu einem gewissen Grad erfüllen, sagt Rocco. Natürlich sind solche Matratzen günstiger. Wer als Hersteller zudem auf wenige Standard-Produkte setzt, kann ebenfalls Kosten sparen. Hätte ich einen dazu passenden Standardkörper, hätte ich wohl beim Matratzenkauf Geld gespart.

Nach einem Tag in der Matratzenfabrik werde ich ziemlich sicher keine Matratze per Klick bestellen, auf der ich vorher nicht ausgiebig probeliegen konnte. Wenn der nächste Kauf ansteht, werde ich in einem Fachgeschäft mit dem Verkäufer über Kaltschäume und Lordosen-Unterstützung fachsimpeln – so lange, bis ich mir sicher bin, dass ich die guten Schäume für die schönsten Träume unter mir habe.

Titelfoto: Christian Walker

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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