
Ratgeber
Von wegen Wundermittel: Vitamin C ist wichtig, aber anders als du wahrscheinlich denkst
von Anna Sandner
Makellose Haut, strahlende Augen, ein Supplement für alles – auf Instagram werden Nahrungsergänzungsmittel als Wundermittel inszeniert, während Risiken und fehlende Kontrolle kaum Thema sind. Foodwatch zeigt, wie aus Werbeversprechen echte Gefahr werden kann.
Du scrollst durch Insta: Zwischen Workout-Reels, Selfcare-Tipps und Avocado-Brot springt dir plötzlich jemand entgegen, der aussieht wie aus dem Gesundheits-Hochglanzlabor: perfekte Haut, hellwache Augen, offensichtlich hypergesund – und das alles angeblich dank «diesem einen Supplement».
Kommt dir bekannt vor? Dann ist dir vielleicht auch schon aufgefallen, dass erstaunlich viele Medfluencerinnen und Medfluencer genau dieses eine Wundermittel gefunden haben wollen. Dieses eine Mittel, das uns allen fehlt, um ohne jede weitere Anstrengung gesund, glücklich, fit, schlank oder was auch immer zu werden. Mal ist es ein grüner Nährstoffdrink, mal ein Vitamin-Booster, mal eine Darmflora-Wunderkapsel. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.
Das hat sich auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch gedacht und das Phänomen der Insta-Wunderheilerinnen und -Superdocs daraufhin genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ihres Berichts ist so eindeutig wie alarmierend: Alle untersuchten Instagram-Werbe-Stories mit Gesundheitsversprechen waren aus ihrer Sicht nicht erlaubt. Warum können sie dann trotzdem verbreitet werden? Dazu gleich mehr.
Mehr als die Hälfte der Deutschen nimmt mindestens einmal im Jahr Nahrungsergänzungsmittel ein. 2023 wurden allein in Apotheken über drei Milliarden Euro damit umgesetzt. Insta ist nun das neue Schaufenster: Marken wie ESN, More Nutrition oder Sunday Natural setzen gezielt auf Influencerinnen und Influencer, um ihre Produkte als unverzichtbar für Gesundheit und Wohlbefinden zu verkaufen.
Foodwatch hat 95 deutschsprachige Fitness- und Gesundheits-Accounts 20 Tage lang beobachtet. Dabei stießen sie insgesamt auf 674 Stories mit Werbung für Supplements – und alle waren aus Sicht von Foodwatch illegal. Kein Einzelfall also, sondern System.
Nahrungsergänzungsmittel sind für die meisten Menschen überflüssig und können in hoher Dosierung sogar schaden.
Eigentlich sind die Regeln leicht zu verstehen: Die EU-Health-Claims-Verordnung erlaubt nur wissenschaftlich belegte Gesundheitsversprechen. Alles andere – besonders krankheitsbezogene Aussagen wie etwa «heilt Gelenkschmerzen» – ist verboten. Auch in der Schweiz sind nur wissenschaftlich belegte Gesundheitsversprechen auf Lebensmitteln erlaubt.
Die Realität auf Instagram sieht allerdings anders aus: Selbsternannte Gesundheitsprofis bewerben munter Stoffe, für die es gar keine zugelassenen Health Claims gibt. Kollagen ist so ein Beispiel. Dmitrij Kreis verspricht auf Insta: «Kollagensupplemente machen deine Haut elastischer, deine Gelenke geschmeidiger, deine Knochen stärker... » Klingt super, ist aber blöderweise wissenschaftlich nicht belegt und somit seine Behauptungen nicht erlaubt.
Warum wirken diese Werbebotschaften so überzeugend? Weil sich die Influencerinnen und Influencer als deine besten Best Buddies inszenieren, ihre persönlichen Erfolgsgeschichten teilen (ob wahr oder nicht, bleibt offen) und dir zum fulminanten Abschluss noch exklusive Rabattcodes präsentieren. All das führt dazu, dass diese «Verkaufsvideos» nicht ohne weiteres als klassische Werbung erkannt werden. Außerdem ist fast jede fünfte Story auch nicht offiziell als Werbung gekennzeichnet – die Grenze zwischen ehrlicher Empfehlung und knallharter Verkaufsstrategie verschwimmt.
Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, keine Medikamente. Gleichzeitig sind sie aber auch kein Ersatz für eine gesunde Ernährung. Sie werden kaum kontrolliert, brauchen keinen Wirksamkeitsnachweis, sind oft überdosiert oder enthalten nicht die Wirkstoffe, die sie vorgeben. Für die meisten Menschen sind sie unnötig – und manchmal sogar riskant. Hier die Verkaufs-Lieblinge der Insta-Gesundheitsschwurbler – und was wirklich dran ist:
Protein: Eine ausgewogene Ernährung reicht normalerweise aus, selbst für Sportlerinnen und Sportler. Nur bei sehr hohen Trainingsumfängen kann eine gezielte Zufuhr sinnvoll sein. Dann ist aber eine Absprache mit einer Ärztin oder einem Ernährungsberater zu empfehlen.
Vitamin C:Entgegen der hartnäckigen Werbebehauptung hilft es nicht gegen Erkältungen. Außerdem lässt sich der Bedarf problemlos über Obst und Gemüse decken.
Magnesium:Auch hier hält sich ein weitverbreiteter Irrtum und muss immer wieder als Verkaufsargument herhalten: Magnesium hilft nicht gegen Muskelkrämpfe. Sinnvoll ist es nur bei nachgewiesenem Mangel.
Vitamin D: Das fehlt vielen in hiesigen Breiten tatsächlich und kann im Winter sinnvoll sein. Aber auch dann nur nach ärztlicher Rücksprache.
Multivitaminpräparate: Auch hierfür gibt es keinen nachweisbaren Nutzen für die Gesundheit – dafür ein Risiko der Überdosierung.
Viele Supplements sind nicht nur überflüssig, sondern auch riskant. Es gibt keine gesetzlich festgelegten Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe. Hersteller können also nach Lust und Laune dosieren – und das tun sie auch. Foodwatch fand heraus: Über die Hälfte der Produkte überschreitet die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung. Sieben Prozent liegen sogar über den von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit festgelegten Maximalwerten.
Noch ein Clou: Die tatsächliche Inhaltsstoffmenge darf laut Gesetz um bis zu 50 Prozent über dem auf der Verpackung angegebenen Wert liegen. Um die Hälfte! Du weißt also eigentlich nie genau, wie viel du wirklich schluckst. Kurz gesagt: Nahrungsergänzungsmittel sind kein harmloses Lifestyle-Produkt. Im schlimmsten Fall riskierst du mit einer unkritischen Einnahme nicht nur dein Geld, sondern auch deine Gesundheit.
Wenn es doch streng verboten ist, warum können die Pseudo-Expertinnen und -Experten auf Insta trotzdem so locker weiter werben? Weil die Behörden heillos überfordert sind. Sie schaffen es kaum, die vorgeschriebenen Kontrollen im Supermarkt zu machen – eine flächendeckende Überwachung der sozialen Medien ist schlicht utopisch.
Die Folge ist, dass das Internet – insbesondere soziale Medien – ein quasi rechtsfreier Raum ist. Unternehmen und beauftragte Influencer:innen können den Menschen meist das Blaue vom Himmel versprechen, ohne dass die Korrektheit der Angaben überprüft wird.
Die Verbraucherzentralen warnen regelmäßig vor irreführender Werbung und Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln. Sie und andere Verbraucherverbände wie Foodwatch können zwar abmahnen und klagen – aber das dauert, kostet Geld, und am Ende sind die Produkte längst verkauft.
Ihr Rat daher: Bleib kritisch, hinterfrage Versprechen – gerade, wenn sie zu gut klingen, um wahr zu sein und obendrein noch mit Rabattcode daherkommen.
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.