
Hintergrund
Zu Besuch im Tierheim: Diese fünf Klischees stimmen nicht
von Darina Schweizer
Im Aristotel werden Very Important Cats (VICs) mit Willkommensdrinks, Massagen und ausgefallenen Amuse-Bouches verwöhnt. Dieses kuriose Luxushotel im schwyzerischen Siebnen musste ich mir natürlich ansehen.
Katzen und Reisen – diese Kombination ist mir allzu vertraut. Weil meine Vierbeiner nie alleine zu Hause bleiben konnten, habe ich schon diverse tierische Ferienunterkünfte gesehen: von leicht schmuddeligen über recht gepflegte Katzenpensionen bis hin zu Hotels. Eigentlich hätte ich mich «die Tierhotel-Testerin» nennen und bei 3+ bewerben sollen.
Auf der Fahrt stelle ich mir schon vergoldete Fressnäpfe und Catnip sprudelnde Jacuzzis vor. Als ich mich jedoch im Industriequartier von Siebnen einem unscheinbaren Gebäude nähere, stelle ich meine Vorurteile infrage. Und als Elisabetta Morandi mir die Tür öffnet, bröckeln sie komplett ab.
Die bodenständige, gebürtige Tessinerin bittet mich freundlich ins Aristotel. 2020 hat sie es mit ihrem Geschäftspartner Giovanni Rengucci eröffnet. Davor beriet sie mit ihrem eigenen Unternehmen ausländische Firmen – bis sie genug hatte und «etwas Schönes» machen wollte.
Wir betreten einen weichen Kunstrasen, auf dem unzählige Spielzeuge, ein grosser Kletterturm, Kunstpalmen und ein Laufrad stehen. Daneben sprudelt ein Trinkbrunnen und Katzen-TV zwitschert vor sich hin. Umgeben ist alles von 14 Privatsuiten – acht weitere befinden sich einen Stock tiefer, im «Down Under».
Als ich etwas kritisch dreinblicke, sagt Elisabetta: «Das ist nicht jedermanns Sache, ich weiss. Aber viele Katzen beruhigt es. Vielleicht, weil sie es nicht hinterfragen.»
Teto und Hugo widmen sich währenddessen lieber einem Spielteppich, unter dem eine motorisierte Maus raschelt. «Das ist eines unserer beliebtesten Spielzeuge», sagt Elisabetta.
Plötzlich erscheint auch Hotelleiter Giovanni mit einer Spielangel in der Hand. Minutenlang lässt er grinsend die Katzen über den Kunstrasen jagen. Wer hier mehr Spass hat, ist schwer zu sagen. Nach etwa 15 Minuten sind die nächsten Gäste an der Reihe: Giovanni trägt Luzia, Teto und Hugo zurück in ihre Suiten und öffnet die nächste Tür.
Deshalb haben sie die Möglichkeit, per Videochat mit ihren Lieblingen Kontakt aufzunehmen. Elisabetta verschickt auch digitale Postkarten mit Fotos der Vierbeiner. «Manchmal sind die Haltenden erstaunt, dass ihre Katzen sie nicht mehr vermissen», schmunzelt die Hotelleiterin und fügt an: «Aber eigentlich ist das ja ein gutes Zeichen.»
Wenig erstaunlich: Für Upgrade-Angebote steht Elisabetta selbst hinter dem Herd und bereitet A-la-cat-Menüs aus gegartem Fleisch und frischer Bouillon zu. Und zwischendurch mixt sie ihren Gästen einen Catpawccino aus Katzenmilch, einen Purrlot aus roter Beete oder einen Pawsecco aus Katzenminze. Dafür hat sie sogar eigene Weinetiketten entworfen. «Giovanni meint, ich spinne. Doch ich finde: Etwas Humor tut uns allen gut.»
Ich habe diese Herbstferien einen privaten Hütedienst ausprobiert. Dazu bald mehr …
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.
Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.
Alle anzeigenVielleicht besser nicht. Denn die Unterkunft, die ich kürzlich entdeckte, brachte mich komplett aus dem Konzept. Auf der Suche nach einem Hütedienst für die Herbstferien stiess ich auf das Aristotel, Swiss Luxury & Spa Cat Hotel. Nebst Junior- und Superiorsuiten mit den Namen «Laguna» oder «Ocean» sowie Wellnessbehandlungen können Katzen Pawsecco und Pawnac schlürfen. «Verrückt», dachte ich erst. Dann «Dekadent?». Und zuletzt: «Da muss ich hin.»
Sofort fällt mir auf, was nicht da ist: Gerüche und Geräusche. Erst denke ich, die Gäste fehlen. Elisabetta schüttelt den Kopf. «18 unserer 22 Suiten sind belegt. Das ist üblich in der Ferienzeit, oft sind wir sogar ausgebucht.» Tatsächlich: Als ich genau hinsehe, blicken mich neugierige Katzenaugen durch die Gittertüren an. Im Hintergrund höre ich selbstreinigende Toiletten surren. In jeder Suite gibt es eine – nebst einem privaten Fernseher. Darum riecht also nichts. Aber warum bleibt es so ruhig?
«Jede Katze teilt ihr Reich nur mit der eigenen Katzen-Familie», erklärt Elisabetta. Das Futter, die Ausscheidungen – all das kann sie so viel besser kontrollieren, als wenn Katzen verschiedener Haushalte denselben Raum nutzen. Während ihrer Ausbildung zur Tierpflegerin FBA hat sie das in Pensionen oft gestört. «Einige Katzen versteckten sich die ganze Zeit in einer Ecke. Andere dominierten die Gruppe. Das alles erzeugt unnötig viel Stress», erinnert sie sich.
Elisabetta wollte ihren Katzengästen mehr Privatsphäre und Genuss bieten. «Einzelsuiten sind bei uns Standard. Das allein macht uns schon zum Luxushotel. Wir bieten bis zu elf Quadratmeter Platz in unseren XL-Suiten und auf jedem Stock einen 60 Quadratmeter grossen Spielplatz. Deshalb können wir weniger Gäste aufnehmen und sind etwas teurer.» Rund 90 Franken kostet eine Superiorsuite für bis zu zwei Katzen pro Tag, fast 50 Franken die Juniorsuite für eine Katze – durchschnittlich zehn Franken mehr als in anderen Katzenhotels und etwa doppelt so viel wie in Pensionen. Dafür wird den Aristotel-Gästen einiges geboten.
Vor wenigen Minuten ist Bengal-Mischling Maisy im Aristotel eingetroffen. Sie ist noch etwas orientierungslos und ängstlich und versteckt sich in einem Körbchen. Deshalb stellt ihr Elisabetta einen beruhigenden Willkommensdrink mit Bachblüten hin. «Das wird ihr gut tun», sagt sie. Im Laufe der Woche wird Maisy eine Reikibehandlung bekommen oder kann, wenn sie mag, auf einer PEMF-Matte liegen. Die elektromagnetischen Impulse sollen Stress lindern.
Einmal täglich öffnen sich in jeder Suite die Pforten. Oft ist nur eine aufs Mal dran, doch es gibt auch sozial sehr aktive und offene Katzen: zum Beispiel Luzia, Teto und Hugo. Sie sind im Aristotel Freunde geworden und dürfen zusammen herumtoben. Elisabetta lässt sie in den Spielbereich sausen. Luzia steuert sofort das Laufrad an. «Das liebt sie ganz besonders», weiss die Hotelleiterin. Ich muss schmunzeln, wie die Katze mit ihren kurzen Beinchen strampelt.
Sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr sind Elisabetta und Giovanni im Einsatz. Ein Fulltime-Job. Giovannis Kater Serafino sei keine grosse Hilfe, sagt Elisabetta lachend. «Wir wollten ihn als Gästemanager einstellen, aber weil er so ein ‹fauler Hagel› war, mussten wir ihn in Frührente schicken.» Menschliche Unterstützung gibt es in der Hochsaison: Da hilft eine Tierpflegerin aus. Und nachts übernimmt eine Überwachungskamera. Diese hat schon Erstaunliches ans Licht gebracht.
«Anfangs hatten die Suiten etwa drei Meter hohe Gitter. Wir dachten, das reicht. Doch eines Tages schaffte es eine Katze heraus und kletterte ins Futterlager. Das gab ein Chaos», erinnert sich Giovanni. Deshalb sind die Suiten nun bis zur Decke mit Plexiglas verschlossen. Katzenhalterinnen und -halter können beruhigt sein. Nur sind sie das nicht immer. Elisabetta verrät, dass es ab und zu aufwändiger sei, sich um die Menschen als um die Katzen zu kümmern. «Einigen fällt es sehr schwer, loszulassen.»
Auch ich muss schmunzeln. Die Vorurteile, die ich hatte, haben sich nicht bestätigt. Dekadent ist das Aristotel nicht. Luxuriös, ja – aber genauso hingebungs- und humorvoll. Das wollen oder können sich nicht alle leisten. Dennoch kann man sich durchaus einmal fragen: Wenn ich mich in einem Wellnesshotel nach Strich und Faden verwöhnen lasse, warum sollte ich meinen Tieren nicht auch den Luxus ausgiebiger Zuneigung gönnen?
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