Deine Daten. Deine Wahl.

Wenn du nur das Nötigste wählst, erfassen wir mit Cookies und ähnlichen Technologien Informationen zu deinem Gerät und deinem Nutzungsverhalten auf unserer Website. Diese brauchen wir, um dir bspw. ein sicheres Login und Basisfunktionen wie den Warenkorb zu ermöglichen.

Wenn du allem zustimmst, können wir diese Daten darüber hinaus nutzen, um dir personalisierte Angebote zu zeigen, unsere Webseite zu verbessern und gezielte Werbung auf unseren und anderen Webseiten oder Apps anzuzeigen. Dazu können bestimmte Daten auch an Dritte und Werbepartner weitergegeben werden.

Hintergrund

Kennst du noch «No One Lives Forever»?

«No One Lives Forever» ist eines der originellsten, charmantesten und witzigsten Action-Games aus den Nullerjahren. Hier habe ich gelernt, erst zuzuhören und dann loszuballern.

Cate Archer ist weder auf den Mund noch auf den Kopf gefallen. Als ein Vorgesetzter behauptet, sie habe eine Mission vermasselt, weil sie als Frau ihre Gefühle nicht im Griff hat, kontert sie: «Ich demonstriere meine alarmierende Inkompetenz gerne an ihrem dicken Schädel.» Die junge britische Agentin ist die Hauptfigur in einem «Austin Powers»-inspirierten Action-Game. Im Gegensatz zu Mike Meyers’ Leinwand-Helden geht Cate ihre Aufträge professioneller an, was man von ihren Gegenspielern allerdings nicht behaupten kann.

Monoliths First-Person-Shooter ist mehr als ein billiger Film-Abklatsch. Er parodiert sowohl die Vorlage, als auch die Vorlage der Vorlage: James Bond. Mit einer abwechslungsreichen Story, auffälligen Charakteren und originellen Spielmechaniken erlangte es Kultstatus – wenn auch nicht über Nacht. Dabei waren damals weibliche Hauptfiguren abseits der hypersexualisierten Lara Croft Mangelware.

Ganz zugeknöpft ist dann auch «No One Lives Forever» nicht.
Ganz zugeknöpft ist dann auch «No One Lives Forever» nicht.

Spion und Babysitter

Das Spiel beginnt 1967 mit Cates erster Ernst-Mission. Mr. Smith, der eingangs erwähnte Dickschädel, ist überzeugt, dass emotional gesteuerte Frauen und Auftragsmord-Missionen nicht zusammenpassen. Weil aber alle Aussenmitarbeiter ermordet wurden, bleibt dem stellvertretenden Chef der Geheimorganisation Unity nichts anderes übrig, als Cate aufzubieten. Ein geheimnisvoller Mörder treibt sich herum, der es auf Undercover-Agenten abgesehen hat. Als Markenzeichen hinterlässt er eine rote Rose.

Die erste Mission schickt mich nach Marokko. Cate soll den US-Botschafter vor Anschlägen der Terror-Organisation H.A.R.M. beschützen. Anfangs ist das Spiel nicht viel mehr als eine Schiessbuden-Attraktion. Ich ballere aus einem Hotelzimmer auf die aus allen Ecken auftauchenden, schwarz gekleideten Bösewichte. Der Botschafter bleibt dabei völlig ahnungslos, selbst wenn die Kugeln wenige Meter an ihm vorbeihuschen und sich die Leichen um ihn stapeln. Er ist damit beschäftigt, sich lautstark über eine Münze zu beschweren, die ihm ständig aus der Tasche fällt.

In der ersten Missionen gilt es, einen Botschafter vor Auftragskillern zu schützen.
In der ersten Missionen gilt es, einen Botschafter vor Auftragskillern zu schützen.

Kanonenfutter mit Persönlichkeit

Nachdem ich den Botschafter sicher zu seinem Auto begleitet habe, werde ich selbst zur Zielscheibe. Während meiner Flucht bekomme ich endlich mehr vom Level zu sehen. Aus heutiger Sicht wirken die matschig tapezierten Korridore karg. Damals versprühte das Sightseeing orientalisches Flair. Zwischen den Schusswechseln mit Gegnern, deren Todesschreie etwas gar verstörend sind, finde ich regelmässig Geheimdokumente. An das in fetten, roten Buchstaben gedruckte «Top Secret» scheint sich niemand zu halten. Da wird sich jemand am nächsten Mitarbeitergespräch einiges anhören müssen.

Die Dokumente sind voll mit Nachrichten der HARM-Handlanger, die über zunehmende Bürokratie oder mangelnde Ferientage lamentieren. In Egoshootern sind Gegner in der Regel seelenloses Kanonenfutter. In «No One Lives Forever» erhalten sie ein Gesicht – im übertragenen Sinn. Ihre eckigen Quadratschädel haben so viel Persönlichkeit wie Minecraft-Steve. Ich lese aber nicht nur, was in ihren Köpfen vorgeht, ich belausche auch ihre Gespräche.

Dazu muss ich nur ab und zu meine Pistole stecken lassen. So entdecke ich auf der Suche nach dem Ausgang einen Strassenhändler, der gerade versucht, meinem Verfolger einen Affen anzudrehen.

Jetzt mach nicht so ein Affentheater.
Jetzt mach nicht so ein Affentheater.
  • Strassenhändler: Sie sehen aus, als könnten Sie einen Affen gebrauchen.
  • HARM-Agent: Wie bitte?
  • Strassenhändler: Ich habe einen sehr schönen Affen für Sie. Nur zwanzig Dollar, amerikanisch.
  • HARM-Agent: Tut mir leid, ich möchte keinen Affen.
  • Strassenhändler: Was meinen Sie damit?
  • HARM-Agent: Ich möchte keinen Affen!
  • Strassenhändler: Warum nicht?
  • HARM-Agent: Weil ich keine Affen mag, jetzt nehmen Sie mir dieses dreckige Tier weg!
  • Strassenhändler: Beleidigen Sie meinen Affen?
  • HARM-Agent: Ich bin sicher, dass es ein ausgezeichneter Affe ist, aber ich will ihn nicht. Jetzt gehen Sie bitte, ich bin sehr beschäftigt.
  • Strassenhändler: Zehn Dollar.
  • HARM-Agent: Nein! Ich würde dieses schreckliche Ding nicht einmal umsonst wollen! Strassenhändler: Umsonst? Wollen Sie, dass meine Kinder hungern? HARM-Agent: Wenn sie Hunger haben, schlage ich vor, Sie füttern sie mit dem Affen.
  • Strassenhändler: Das ist ein wertvoller Affe! Meine Frau würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich ihn Ihnen so billig anbiete.
  • HARM-Agent: Sie scheinen nicht zu verstehen, ich WILL KEINEN AFFEN! Strassenhändler: Ungläubiger.

Ich erlöse den HARM-Agenten schliesslich mit einem gezielten Kopfschuss von dieser Unterhaltung. Solche Oscar-würdigen Dialoge gibt es nur, wenn ich nicht wie ein schiesswütiger Cowboy durch die Levels stürme. In einer späteren Mission überhöre ich, wie zwei HARM-Agenten über das Mittagessen streiten:

  • HARM-Agent #1: Das Essen ist schrecklich
  • HARM-Agent #2: Der Kartoffelsalat ist gar nicht schlecht
  • HARM-Agent #1: Es ist nicht Kartoffelsalat, sondern Hüttenkäse
  • HARM-Agent #2: Würggeräusche

Exzentrische Superschurken

Die Dialoge während und zwischen den Missionen tragen entscheidend zur Persönlichkeit von «No One Lives Forever» bei. Dazu zählen auch die schillernden Persönlichkeiten in Form meiner Erzfeinde. Da wäre zum Beispiel Inge Wagner, die angeblich eine Nachfahrin des berühmten Komponisten sein soll. Sie wurde genötigt, Opernsängerin zu werden. Leider ist sie absolut unmusikalisch, was sie mit schrillem Geschrei, das Fenster bersten lässt, regelmässig unter Beweis stellt.

Das dynamic Duo: Magnus Armstrong und Inge Wagner.
Das dynamic Duo: Magnus Armstrong und Inge Wagner.

Dann ist da noch der griesgrämige Schotte Magnus Armstrong, den ich in einem verschneiten bayerischen Bergschloss zu einem Faustkampf herausfordere. Dafür muss ich ihn aber zuerst provozieren mit Sprüchen wie: «Vielleicht solltest du deinen Kilt gegen einen Rock tauschen.»

Praktisch alle Figuren sprechen mit übertrieben dicken Akzenten. Dass der russische Oberschurke Volkov ausserdem eine Augenklappe trägt, passt wie die Faust aufs Auge. Typisch für seine Gattung verschont er die junge Agentin, nachdem er gerade Cates Mentor abgemurkst hat. Den Auftrag überträgt er stattdessen seinem Handlanger. Woraufhin dieser die berechtigte Frage stellt, warum Volkov nicht selbst ein zweites Mal abgedrückt hat? «Ich hatte es vor, aber mein Hunger nach Rache hat mich abgelenkt.» So viel Selbstreflexion hätte auch Ernst Stavro Blofeld gut getan.

Volkov hat sein Auge auf Unity geworfen.
Volkov hat sein Auge auf Unity geworfen.

Sightseeing rund um den Globus

Die Missionen werden später einiges abwechslungsreicher als der Marokko-Ausflug. Während eines Fluges nach London entert uns ein HARM-Flieger. Es kommt zu wilden Schiessereien durch das vielleicht grossräumigste Flugzeug aller Zeiten. Natürlich springe ich zum Schluss ohne Fallschirm aus dem abstürzenden Flieger und ergattere mir im Luftkampf eine Mitfluggelegenheit.

Im besagten Schloss der gescheiterten Opernsängerin ist für einmal Schleichen statt Schiessen angesagt. Auffallen ist nicht ratsam. Es beginnt damit, dass ich Suchscheinwerfern ausweichen muss. Hier kommen Cates Spionagegadgets zum Einsatz. Mit dem Pudel-Roboter lenke ich Wachhunde ab. Die Körperverschwind-Flüssigkeit macht bewusstlose Feinde unsichtbar und mit der orangen Sonnenbrille sehe ich Infrarotstrahlen. Reisst mir doch mal der Geduldsfaden, schmeisse ich explodierenden Lippenstift durch die Gegend. Ich bin schliesslich eine Dame von Welt.

Eine Haarklammer, die als Dietrich dient, darf natürlich nicht fehlen.
Eine Haarklammer, die als Dietrich dient, darf natürlich nicht fehlen.

Die Gadgets stammen allesamt von Santa, wie der Q-Verschnitt in «No One Lives Forever» genannt wird. Wie den echten Samichlaus bekomme ich ihn allerdings nie zu Gesicht. Er spricht nur in der Testarena zu mir, wenn ich sein neuestes Spielzeug ausprobiere.

«No One Lives Forever» bietet auch ein breites Sortiment an Schiessgeräten. Angefangen bei der schallgedämpften Luger, mit der ich selbst auf grösste Distanzen Kopfschüsse verteile. Streuung oder gar Geschossabfall sind für Cate Fremdwörter. Die AK-47 darf auch nicht fehlen. Mit dem Raketenwerfer-Koffer wird es gegen Schluss noch etwas origineller. Dass die Gegner nicht die Hellsten sind, machen sie mit ihrer Treffsicherheit wett. Weil ich passend zu Cates losem Mundwerk meist mit der Tür ins Haus falle, fliegen schnell die blauen Bohnen. Quick Save und Quick Load sind zum Glück nur einen Tastendruck entfernt.

Nicht mehr ganz zeitgemäss ist so mancher Levelaufbau. Als ich in Ostberlin einen überlaufenden Wissenschaftler befreien soll, irre ich fast eine halbe Stunde umher, bis ich die letzte Bombe für ein Ablenkungsmanöver finde. Wenn ich auf meinen Leichenteppich zurückblicke, frage ich mich, wer sich das Feuerwerk anschauen wird. Dass dabei konstant die Alarmsirene dröhnt, macht es nicht besser.

Und wer schaut sich jetzt mit mir das Feuerwerk an?
Und wer schaut sich jetzt mit mir das Feuerwerk an?

Obwohl das Leveldesign ein Relikt seiner Zeit ist, spielt sich «No One Lives Forever» noch heute sehr abwechslungsreich. Mal infiltriere ich mit Schnorchel und Taucherbrille eine Basis in den Tropen. Mal flitze ich mit dem Schneetöff durch eine lauschige Winterlandschaft. Gegen Ende folgt sogar der obligate Abstecher in den Weltraum – «Moonraker» lässt grüssen. Natürlich fehlen auch überraschende Wendungen und Doppelagenten nicht. «No One Lives Forever» bietet alles, was das Agenten-Thriller-Herz begehrt. Zusammen mit «Tron 2.0», das 2003 herauskam, avancierte Monolith zu meinem persönlichen Lieblingsstudio – neben Blizzard, versteht sich.

Trotzdem gibt es nur einen Nachfolger, sowie mit «Contract J.A.C.K.» ein liebloses Spin-off. Und daran wird sich vielleicht noch lange nichts ändern.

Was macht jedes Spiel besser? Richtig. Ninjas. Das wusste auch «No One Lives Forever 2».
Was macht jedes Spiel besser? Richtig. Ninjas. Das wusste auch «No One Lives Forever 2».

Niemand weiss, wem es gehört

Ein Grund waren sicherlich die Verkaufszahlen. Zum Launch holten es sich gerade mal 35 000 Personen. Später wuchs die Zahl immerhin auf 350 000, was immer noch wenig ist.

Trotzdem mauserte sich «No One Lives Forever» über die Jahre immer mehr zum Geheimtipp. Mittlerweile rangiert es in der GOG Dreamlist gar in der Top 10. Dort kannst du für Spiele abstimmen, die restauriert und digital erhältlich gemacht werden sollen. Cates Abenteuer gibt es offiziell nämlich nach wie vor nur physisch.

Der Grund liegt bei den Rechten. Niemand weiss, wer sie besitzt. Monolith gehörte damals zu Fox Interactive. Die wurden von Vivendi Universal Games einverleibt, welche von Activision gekauft wurden. Die wiederum sind mittlerweile Teil von Microsoft. Monolith ging in die Hände von Warner Bros. Anfang Jahr wurde das renommierte Studio schliesslich geschlossen. Das letzte veröffentlichte Spiel ist «Middle-earth: Shadow of War». «Wonder Woman» befand sich in Entwicklung, wurde aber zusammen mit dem Studio eingestellt.

Schwer zu sagen, ob «No One Lives Forever» jemals wieder auftaucht.
Schwer zu sagen, ob «No One Lives Forever» jemals wieder auftaucht.

Mehrere grosse Parteien könnten somit Anspruch auf «No One Lives Forever» erheben. Weil damals vieles noch nicht digitalisiert wurde, verstauben die Unterlagen womöglich in einem Aktenschrank.

Nicht davon beirren lassen sich die Nightdive Studios. Mit «System Shock», «Star Wars: Dark Forces Remaster» und jüngst «Outlaws + Handful of Missions: Remaster» haben sie schon einige Klassiker aus der Versenkung geholt. Den Source Code konnte sie sich bereits sichern, bei den Markenrechte sind sie bisher auf Granit gestossen.

In meinem Interview betont Larry Kuperman, Business-Chef bei Nightdive, dass man weiterhin davon träume, «No One Lives Forever» auferstehen zu lassen. Ich schliesse mich dem Traum an. Wenn sie schon dabei sind, dürfen sie auch gleich «Tron 2.0» und «American McGees Alice» auf die Liste packen. XOXO.

12 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Ich habe mit Hollywood-Star Michael Rooker über «Call of Duty: Black Ops 7» geredet

    von Domagoj Belancic

  • Hintergrund

    Das waren unsere gruseligsten Momente in Videospielen

    von Cassie Mammone

  • Hintergrund

    HORROR! Mein Weg vom verängstigten Kind zum abgebrühten Gorehound

    von Patrick Vogt

8 Kommentare

Avatar
later