11 Bit Studios / «The Alters»
Meinung

«The Alters» & Co.: warum Gamer zurecht gegen den Einsatz von KI protestieren

Debora Pape
3/7/2025

In der jüngeren Vergangenheit sorgten mehrere Spiele für Aufregung in der Gaming-Community: Es geht um die Verwendung von KI bei der Entwicklung. Dahinter steht die Befürchtung, dass Spiele immer generischer werden.

KI polarisiert: Den einen gilt sie als Heilsbringerin, die alle Lebensbereiche sowie deinen Job einfacher macht – oder sie sorgt für seelenlose Texte und Bilder und nimmt dir darüber hinaus deinen Arbeitsplatz weg. Auch bei der Entwicklung von Games wird ihr Einsatz immer wieder hitzig diskutiert. Zuletzt wurde das Entwicklerstudio 11 Bit Studios aus Polen mit Vorwürfen konfrontiert. Mitte Juni erschien ihr story-getriebenes Aufbauspiel «The Alters». Aufmerksame Gamer entdeckten Hinweise auf die Nutzung eines KI-Chatbots.

«The Alters» ist kein Einzelfall. In diesem Beitrag stelle ich weitere Beispiele vor und erkläre, warum viele User so empfindlich auf den Einsatz von KI in Games reagieren – und weshalb das gut ist.

«The Alters»: Chatbot-Einleitungen schaffen es ins Spiel

Auf Reddit teilte ein User einen Screenshot aus dem Spiel, der auf die Verwendung eines KI-Chatbots für Ingame-Texte schließen lässt. Es handelt sich um einen Default-Text in einem Logbuch, der nur im Hintergrund zu sehen ist und keine Funktion im Spiel hat.

Der Verdacht lag nahe, dass eine Person aus dem Entwicklungsteam diesen Text generieren ließ und die Antwort des Chatbots inklusive dessen Einleitung versehentlich mit ins Spiel kopierte. Die Reddit-Userschaft schwankt zwischen Gleichgültigkeit, Häme über das unbedarfte Copy-Pasten sowie Unverständnis.

Die KI-generierten Texte sind auf diesen Monitoren zu sehen.
Die KI-generierten Texte sind auf diesen Monitoren zu sehen.
Quelle: 11 Bit Studios

Auch bei Übersetzungen war offenbar KI im Spiel. Eine Chatbot-Einleitung fand sich auch als Untertitel zu einer Videosequenz in der brasilianisch-portugiesischen Lokalisierung. In anderen Sprachen gab es an dieser Stelle im Spiel ebenfalls Auffälligkeiten, wie weitere User feststellten.

11 Bit Studios hatte auf der Steam-Seite zu «The Alters» keine Angaben zur Verwendung von KI gemacht, obwohl Steam das seit 2024 verlangt.

  • Kritik

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    von Kevin Hofer

Was sagen die Entwickler?

Einige Tage nach den ersten Kritiken veröffentlichte das Team ein Statement. KI sei nur sehr begrenzt und ausschließlich für Platzhaltertexte bei der Entwicklung genutzt worden. Es sei nie Ziel gewesen, KI-Inhalte im fertigen Game zu zeigen. Die KI-Antwort im Logbuch sei ein einmaliges Versehen und hätte keinen Einfluss auf das Schreiben der Story und das Spielerlebnis.

Die KI-Übersetzung sei ein Last-Minute-Kompromiss gewesen, da das fragliche Video erst kurz vor Release implementiert wurde. Man habe sich für diesen Weg entschieden, weil ansonsten nur englische Untertitel verfügbar gewesen wären, was die Verantwortlichen als die «schlechtere Erfahrung» für die Lokalisierungen betrachteten. Die KI-Übersetzungen betreffen demnach nur 0,3 Prozent aller Texte im Spiel.

Weitere Spiele mit KI-generierten Inhalten

Zurzeit experimentieren auch andere Studios mit KI. Ende 2024 gab es zum 30-jährigen Geburtstag von «Warcraft 3» Aufregung über ein Remaster-Projekt. Blizzard Entertainment veröffentlichte zu diesem Jubiläum die Neuauflage von «Warcraft 3: Reforged», das selbst eine Neuauflage des Originals aus 1994 war.

Gut gemeint heißt nicht gut gelungen: KI-Upscaling ist schiefgegangen.
Gut gemeint heißt nicht gut gelungen: KI-Upscaling ist schiefgegangen.
Quelle: «Back2Warcraft»

Um die Grafiken aufzupolieren, nutzte Blizzard KI-Upscaling. Das Ergebnis war nach Meinung der Spielergemeinde alles andere als sehenswert. Es wurden Vorwürfe laut, dass Blizzard ohne Aufwand und sehr lieblos nochmal Geld mit ihrem Klassiker verdienen wollte. KI-Upscaling sei zwar eine verständliche Methode, aber offenbar wurde kein guter Dienst dafür verwendet. Sympathischer Fan-Service sieht anders aus. Einige Grafiken sind in diesem Video auf dem YouTube-Kanal «Back2Warcraft» zu sehen.

KI ist schlimm und produziert zu 100% seelenlosen Schund.
Ein User zum KI-Upscaling in «Warcraft 3: Reforged» im Blizzard-Forum.

Im September erscheint das Golfspiel «Everybody’s Golf: Hot Shots». Auf Steam gibt das Studio an, dass Baum- und Blatttexturen KI-generiert wurden. Ein Artikel auf Kotaku spricht von «AI-generated junk», also KI-generiertem Müll. Auf Reddit schreibt dagegen ein User, dass KI genau für diesen Zweck gemacht sei. Sie könne «langweilige Arbeit» übernehmen, auf die sowieso kein Designer Lust habe.

Ein ganz anderes Kaliber ist der Fall um «Jurassic World Evolution 3». Das Entwicklungsstudio Frontier Developments kündigte das Spiel Anfang Juni an. Sofort kam es zu Protesten: Das Spiel sollte KI-generierte Porträts von Wissenschaftlern enthalten. Das sind keine Hintergrundgrafiken, die sowieso kaum jemand wahrnimmt. Die kritischen Stimmen zeigten sich enttäuscht, dass Frontier keine Künstlerinnen und Künstler zum Zeichnen von Porträts einsetzt.

Am 24. Juni reagierte das Studio schließlich und gab bekannt, keine KI-generierten Bilder mehr nutzen zu wollen. Das Game erscheint im Oktober.

Sollen Games großartig oder austauschbar sein?

Diese Beispiele mögen für sich genommen nicht schwerwiegend aussehen. Genügend Menschen verteidigen die Studios auch für ihr Vorgehen: zu geringfügig und zu verständlich sei der Einsatz von KI in diesen Fällen. Das mag stimmen, aber wie so oft geht es ums Prinzip, denn auch hinter vermeintlich kleinen KI-Einsätzen sitzt ein grundlegendes Problem.

Durch die rasante Weiterentwicklung von KI stehen Unternehmen vor der Frage, ob sie der Versuchung, KI zu nutzen, widerstehen wollen und können. Es ist ein fragiles Balancieren zwischen produktiver und kreativer Unterstützung durch KI einerseits sowie ihrem vermehrten Einsatz zugunsten der Kostenersparnis andererseits. Es geht um nichts anderes als die Entscheidung zwischen dem (teuren) Schaffen einzigartiger Games und dem (günstigen) Generieren von beliebigen, seelenlosen Inhalten.

KI muss nicht schlecht sein. Entwicklerinnen können sich besser anspruchsvollen Aufgaben widmen, wenn sie sich nicht um repetitive, aber notwendige Tätigkeiten kümmern müssen. Das kann beim Endprodukt für eine höhere Qualität sorgen. Und stell dir mal vor, wie lebendig sich ein Spiel anfühlen würde, wenn du mit NPCs freie Gespräche führen könntest, weil ein Sprachmodell implementiert ist.

Shitstorms sind verdient – und notwendig

Die Gaming-Community reagiert aus gutem Grund empfindlich auf den Einsatz von KI in Spielen. Das drückt die Befürchtung aus, dass KI mehr und mehr als Ersatz für talentierte, kreative Menschen dient. Auf deren Arbeit zu verzichten bedeutet aber auch Geringschätzung für die eigene Kundschaft: Sie wird mit generierten Inhalten statt packenden Storys, innovativem Gameplay und echter Handwerkskunst abgespeist.

Dass sich dabei schnell ausgemachte Shitstorms entwickeln, ist gut für alle. So bekommen die Studios Grenzen aufgezeigt. Andernfalls könnte sich ein Schneeballsystem entwickeln. Erst sind es nur Übersetzungen, 3D-Modelle im Hintergrund und Avatarbildchen. Doch ohne Widerstand würde die Versuchung, den KI-Modellen mehr und mehr Arbeit zu übertragen, immer größer werden. Am Ende der Entwicklung würde der Markt von austauschbaren Spielen geflutet werden.

Klar ist jedenfalls: KI ist gekommen, um zu bleiben. Wie und wofür genau sie eingesetzt wird, hängt auch von uns allen ab: ob wir über vermeintliche Kleinigkeiten hinwegsehen und wir es tolerieren, KI-generierte Inhalte vorgesetzt zu bekommen. Voraussetzung ist dafür jedoch, dass Unternehmen die Verwendung von KI – wie etwa bei Steam vorgeschrieben – transparent anzeigen.

Nachtrag: Passend dazu kündigt Microsoft an, Tausende Angestellte zu entlassen – wegen hoher Investitionskosten für KI. Mein Kollege Kim hat über die konkreten Auswirkungen der Entlassungen auf die Gaming-Branche eine News verfasst.

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Titelbild: 11 Bit Studios / «The Alters»

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Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.

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